Andreas Pflüger
Endgültig
Die blinde BKA-Profilerin Jenny Aaron führt Listen über ihre Vorlieben und Abneigungen. Deshalb jetzt 10 Dinge, die ich an Andreas Pflügers neuem Thriller mag:
Neues Leben
1. Eine Heldin, deren Geschichte sie fünf Jahre, nachdem sie in Barcelona blindgeschossen wurde, einholt. Um nicht ausgelöscht zu werden, musste sie sich ihr Leben neu erfinden. Allmählich erkennt sie, dass es in ihrem neuen Fall um sie selbst geht.
"Sie wollen Fakten von mir. Und Fakten habe ich nicht. Holm kommuniziert mit mir über meine Ängste und meine Träume. Nichts davon kann ich beweisen. Aber sie müssen es erfahren."
2. Holm, ihren Widersacher, der seinen mörderischen Bruder aus dem Knast holt, obwohl er weiß, wohin das führt.
"Er hat sich bemüht, Sascha ein guter Bruder zu sein … Er hat ihm die Freiheit geschenkt, das war das Letzte, was er für ihn tun würde."
Starke Nerven
3. Fünf Millionen, die er mit bösartigsten Mitteln erpresst und ohne mit der Wimper zu zucken verbrennt.
"Was hast du getan? stammelt Jetonauge. Holm sagt: Wir holen uns noch einmal fünf Millionen."
4. Jenny Aarons hochentwickelte Fähigkeit, den Verlust des Sehens auszugleichen, auch in der elendsten Lage nicht die Nerven zu verlieren – und dennoch glaubwürdig zu bleiben:
"Aaron sieht seine Worte wie Steine übers Wasser springen, und jedesmal, wenn sie auftreffen, ist es ein Schmerz. Seiner und ihrer."
5. Die Männer der geheimen BKA-Einheit, deren Effektivität so cool beschrieben wird, dass es die Leserin nicht mit Adrenalinwolken vertreibt und Innenpolitiker sich wünschten, es gäbe sie wirklich:
"Pawlik nahm sich für all seine Toten Zeit. Er dachte bei jedem sorgfältig darüber nach, warum er es getan hatte, und fand eine schlüssige Erklärung."
In der Vorhölle
6. Demirci, die ebenso coole Chefin dieser Männer, die weiß, dass nichts im Leben selbstverständlich ist.
"Hier ist unsere Kathedrale. In unserer Familie gibt es Gesetze, die nirgends niedergeschrieben sind. Einige musste ich lernen."
7. Die Tiefenschärfe, die Pflüger all seinen Figuren verleiht, indem er ihre Geschichten subtil mitschwingen lässt:
"Er hat mich geblendet, das war nur der Beginn meiner Strafe, die Vorhölle. In welcher Hölle bin ich jetzt? In der Hölle der Erinnerung."
8. Die unglaublich gute Konstruktion des Buches, das man wie einen rasanten Film lesen kann und das doch so viel mehr bietet.
"Inazo Nitobe … bringt zum Ausdruck, dass wir unser Gewissen nicht zum Sklaven eines Fürsten machen dürfen."
Samurai-Tugenden
9. Seine philosophische Grundierung durch Literaturanspielungen und die Tugenden der Samurai-Krieger:
"In jedem Shinto-Schrein befindet sich ein Spiegel. Wenn man hineinschaut, soll man sich selbst erkennen. Den eigenen Mut. Die eigene Angst."
10. Die Verbeugung vor dem Leben – trotz all der Toten und größter Spannung!
"Sollte am Ende noch Zeit sein, will ich mich nicht fragen, warum ich sterben muss, sondern wissen, warum ich gelebt habe."
(Lore Kleinert)
Andreas Pflüger *1957 in Bad Langensalza/Thüringen, Autor von Romanen, Hörspielen und Drehbüchern
Andreas Pflüger "Endgültig"
Thriller, Suhrkamp 2016, 459 Seiten, 19,95 Euro
eBook 16,99 Euro, Hörbuch mit Nina Kunzendorf 19,99 Euro