Richard Ford
Frank
Als Frank Bascombe sich auf den Weg nach New Jersey macht, hat Hurrikan Sandy wenige Tage zuvor Zerstörungen von historischem Ausmaß hinterlassen. Freund Arnie hat ihn, den ehemaligen Immobilienmakler, angerufen und gebeten zu kommen. Vor Jahren hat er ihm sein Haus verkauft, von dem nun nicht mehr viel übrig ist.
Verantwortung
Arnie hat mit Fisch viel Geld gemacht und will sein verwüstetes Grundstück loswerden – er braucht Rat. Und den ist ihm Bascombe schuldig, zumindest fühlt er das so, eine gewisse Verantwortung,
"keine finanzielle. Und sicher auch keine moralische. Aber eine, bei der - was höchst selten vorkommt – Berufliches und Menschliches auf derselben Schiene fahren. Eine priesterliche Verantwortung, eine aus Berufung."
Es geht auf Weihnachten zu, da erfüllt man auch schon mal ungewöhnliche Wünsche.
Verletzungen
Die den Leser auch in die Tiefen der Vergangenheit dieses alternden Mannes führen, der um seine Halswirbelsäule fürchtet, Prostatakrebs hinter sich hat und auch sonst so mancherlei Verletzungen, die das Leben mit sich bringt. Und die er mit manchmal grimmiger, manchmal melancholischer Ironie beschreibt, dabei stets ehrlich bleibt und aus der Zufälligkeit, mit der ihm – der eigentlich die Distanz liebt - fremde Schicksale begegnen, einen willkommenen Dienst an seinem Nächsten zu machen versteht. Dazu gehört auch der Besuch der schwarzen Ms. Pines, die mal in seinem Haus gewohnt hat und ihm nach und nach die Erinnerung an ein grausames Familiendrama eröffnet – geschehen in einer Zeit, in der es nicht üblich war, schwarze Bürger inmitten von Weißen ein sorgloses Leben führen zu lassen.
Szenen aus Amerika
Mit Frank Bascombe erleben wir Szenen aus der amerikanischen Gesellschaft, präzise Schlaglichter auf eine Realität, die zwischen dem Indianeraufstand von Minnesota, Rassenhass und Obama pendelt und von einer Gegenwart erzählt, die sich im Luxus-Altenheim seiner ersten Frau spiegelt. An Parkinson erkrankt, wird sie nun rund um die Uhr betreut, besser gesagt: bewacht, weil unter Kameras und Sensoren jede Menschlichkeit verloren geht. Gruselig auch die Wiederbegegnung mit einem alten Freund, der, schwerreich geworden und in einem Palast lebend, an Bauchspeicheldrüsenkrebs erkrankt ist und Frank noch einmal sehen möchte. Mit seiner damaligen Frau Ann hatte er eine Affäre. Das muss er noch loswerden vor seinem Tod.
Zwischen Tod und Leben
Wunderbar erzählte, fesselnde Geschichten zwischen Tod und Leben, Krankheit und Alter, Verlust und Trauer, Liebe, Ehe und Verletzung – in vier Erzählungen hat Richard Ford seinen Helden Frank ("Sportreporter", "Unabhängigkeitstag" und "Die Lage des Landes") noch einmal ins Licht geholt - diesen Mann, der im Radio Blinden aus Büchern von Literaturnobelpreisträger Naipaul vorliest, am Flughafen Soldaten empfängt und für das Magazin "Salut" schreibt:
"Das verteilen wir gratis auf Flughäfen an unsere heimkehrenden Soldaten aus Irak und Afghanistan oder wo unser Land noch alles heimliche Kriege führt und globale Missetaten im Namen der Freiheit begeht … hilfreiche Infos aus allen Staaten und Tipps – falls ein Heimkehrer sein Gedächtnis verloren hat …"
Und zwischen all' dem manchmal durchaus zynischen Nachdenken über den Sinn des Lebens gewährt Frank tiefe Einblicke in seine (amerikanische) Seele und in die seines Landes.
(Christiane Schwalbe)
Richard Ford *1944 in Jackson, Mississippi, amerikanischer Schriftsteller, lebt in Maine
Richard Ford "Frank"
aus dem Amerikanischen von Frank Heibert
Hanser Berlin 2015, 224 Seiten, 19,90 Euro
eBook 15,99 Euro