Mark Jensen
Urban Cook
Anständig kochen
Nachhaltigkeit in der Restaurantküche ? ein Widerspruch? Diese Frage stellt sich für Mark Jensen gar nicht erst. Für ihn ist klar: Kochen ohne Sinn und Bewusstsein für Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeit geht heutzutage gar nicht.
Rhythmus der Natur
Die Leitidee für sein Buch "Urban Cook" ist ebenso einfach wie vertraut und folgt dem Rhythmus der Natur. Mit den Produkten der jeweiligen Jahreszeiten haben schon unsere Großeltern gut gekocht, nicht nur in Australien, wo Jensen lebt und arbeitet. Gemüse und Obst kann im eigenen Garten wachsen oder auf dem Balkon. Eingekauft wird am liebsten auf dem Markt oder im Bioladen, und Fleisch ist dann ein besonderer und (mit Recht) teurer Genuß, wenn Schweine, Hühner oder Rinder artgerecht leben durften.
"Das meiste von dem, was ich esse, wächst im Boden heran und entstammt keinem Chemielabor. Ich folge dem alten Leitspruch Qualität vor Quantität, und ich achte ganz besonders darauf, dass meine Nahrungsmittel nach ethischen und nachhaltigen Grundsätzen erzeugt wurden."
Stadt und Land
Stadtleben ist durchaus kein Hindernis für regionale, saisonale und deshalb nachhaltige Küche, und Landleben allein keine Garantie für eine umweltschonende Lebensweise. Jensen präsentiert nicht nur köstliche Rezepte, sondern eine Fülle von Informationen über unser Essen und seine Herkunft. Er hat eine Mission: Wir sollen wieder lernen, woher unsere Lebensmittel kommen, wie und wann sie wachsen. Damit folgt er dem neuen Trend, "anständig" zu essen ? vor allem aber folgt er seinem Großvater, dessen Gemüse aus dem eigenen Garten den Profikoch noch immer zum Schwärmen bringt.
"Grüne Highlights"
Nachhaltiges Essen hat nichts mit Verzicht zu tun, auch wenn das immer wieder behauptet wird, ganz im Gegenteil. Jensen kocht mit Fleisch, Fisch und Geflügel, räumt allerdings dem Gemüse aus guten Gründen einen besonders großen Raum ein. Ökologisch erzeugtes Fleisch ist teuer und muss deshalb nicht täglich auf dem Tisch stehen. Seine leckeren Rezepte dürften auch Gemüsemuffel überzeugen: Marinierte Radieschen mit einem Dressing aus Korinthen, Minze und Schnittlauch, Auberginen-Mozzarella-Auflauf, gebackene Zwiebeln, asiatisches Gemüse, gedünstet mit Tamari-Sojasauce, gedünstete Kopfsalatblätter, gefüllt mit gebratenen Pilzen, Kartoffeln und Spinat oder ein würziges Kichererbsen-Tomaten-Curry sind Highlights seiner nachhaltigen Küche.
Garten und Balkon
Seine "grüne" Art zu kochen, beginnt in Großvaters oder dem eigenen Garten, auf dem Balkon und auf dem Wochenmarkt ? am liebsten mit seiner Tochter, die an der Hand ihres Vaters lernt, Lebensmittel wertzuschätzen. Im Supermarkt, angesichts von Tausenden von Convenience-Produkten ist es fast unmöglich geworden, Kindern ein natürliches Verhältnis zum Essen zu vermitteln.
"Zu begreifen, wo das Essen auf ihrem Teller herkommt, ermuntert sie vielleicht, sich statt für bequem und schnell zubereitetes Fast Food für gesundes Essen zu entscheiden und es auch zu mögen."
Gesundes Essen hat weder kilometerweite Transportwege hinter sich, noch einen aufwendigen Verarbeitungsprozess, der aus frischen Grundprodukten künstlich aromatisierte und mit Zusatzstoffen aufgepeppte Industrieware für die Mikrowelle macht ? zu jeder Zeit, an jedem Ort, mit einem Allerweltsgeschmack. Gesundes Essen ist vor allem frisch gekocht und wächst im eigenen Land.
"Mit der weit verbreiteten Erwartungshaltung von unmittelbarer Bedürfnisbefriedigung ? ich möchte essen, was ich will und wann immer ich es will ? haben wir unser eigenes Produktparadox geschaffen. Wir sind zu ungeduldig geworden, um das Verstreichen der Jahreszeiten abzuwarten."
Mit dem Kochlöffel in der Hand
"Urban Cook" ist ein außergewöhnliches Kochbuch. Hier macht sich ein Koch die Mühe, uns zwischen Boeuf Bourguignon, grünem Papayasalat und Ingwerpudding aufzuklären: über den Irrsinn von Massentierhaltung, Hühnermast und Überfischung der Meere, über Aquakultur, den Einfluss industrieller Fleischproduktion auf den Klimawandel und unsere Macht als Verbraucher. Damit gibt er den Nahrungsmitteln ihren Wert zurück und regt mit gebackenem Gemüsesalat, vietnamesischer Hühner-Nudel-Suppe, Hähnchenleberspießen oder Lammkoteletts mit Zitronengras, Chili und Knoblauch zum Nachdenken über unseren allzu verschwenderischen Lebensstil an. Aber er tut es mit dem Kochlöffel in der Hand und ganz ohne erhobenen Zeigefinger.
Die meisten seiner Rezepte sind asiatisch inspiriert, zusammen mit Luke Nguyen betreibt er in Sydney das Restaurant "Red Lantern". Die asiatische Küche ist bekannt für viel frisches Gemüse, einheimische Kräuter, schonende Zubereitung und kleine Fleischportionen. Genau richtig also für mehr Nachhaltigkeit auch in unseren Küchen.
(Christiane Schwalbe)
Mark Jensen "Urban Cook" - Anständig kochen
Collection Rolf Heyne 2012, 288 Seiten, 35,00 Euro