Ross Thomas
Der Fall in Singapur
Die USA in den späten 60ern: In Vietnam herrscht Krieg, und der frühere Stuntman Eddy Cauthorne gibt sich die Schuld am vermeintlich tödlichen Unfall eines Kollegen in Singapur und wird jeden Tag von einer Panikattacke geschüttelt.
Dunkle Geschäfte
Doch das Schicksal – und der Autor Ross Thomas – meinen es gut mit ihm: Verfeindete Mafia-Clans zwingen ihn, der inzwischen mit dem reichen Engländer Richard Trippet ein Geschäft für aufgearbeitete Oldtimer treibt, nach Singapur zurückzukehren, denn Angelo Sacchetti lebt und geht dunklen Geschäften nach. Cauthorne beugt sich dem Druck und mit beachtlicher Selbstironie stürzt er sich in Singapurs undurchsichtige Unterwelt:
"Ein Ritter ohne Furcht und Tadel war von den Hügeln Hollywoods gekommen, gewappnet mit schweren Zitteranfällen und pathologischen Angstzuständen…Das Beste von allem aber war die Frist – die drei Tage, die ich hatte, um aus der Stadt zu verschwinden."
Koloniale Vergangenheit
Wie in allen Romanen von Ross Thomas stehen Korruption und politische Intrigen in voller Blüte, in einer farbenfroh und kenntnisreich geschilderten Stadt mit britischer Kolonialvergangenheit, lange bevor sie mit der Unabhängigkeit zu einer der blühendsten Metropolen Asiens wurde. In seinem einzigen Mafiaroman ist die Perspektive Eddy Cauthornes ebenso ausgefeilt und von unterschwelligem Humor geprägt wie in allen anderen vom Alexander Verlag neu edierten Romanen: eigentlich geht es immer um den abenteuerlichen Balanceakt eines vielschichtigen Helden, der sich allen Herausforderungen mit Eleganz, Bravour und Einfallsreichtum stellt. Und angenehme Freunde hat, wie etwa seinen Kompagnon, der ihm in Singapur zur Hilfe eilt:
"Mit fünfundfünfzig war Richard K.E. Trippet knapp jenseits von elegant. Vielleicht lag es an der Art, wie er seine Kleidung trug oder wie er sich bewegte. Es konnte aber auch seine Haltung sein, die zunächst völlig spannungslos schien, bis man dann bemerkte, dass er sich aufrecht wie ein Zaunpfahl hielt und dass es die Anmut seiner Bewegungen war, die ihm eine seltsame, aus Trägheit und Energie gemischte Ausstrahlung verlieh."
Ungewöhnliche Mitspieler
Er und alle anderen Akteure werden mit wenigen originellen Sätzen hinreichend beschrieben, ebenso wie Orte, Kleider, Drinks, Mahlzeiten, Stimmungen – Thomas‘ detailreiche Sprache lässt die Szenerie einer vergangenen Zeit höchst lebendig auferstehen. Für Action ist hinreichend gesorgt, immerhin ist Cauthorne als Stuntman zu kämpfen gewohnt, doch kommt es darauf nicht so sehr an; seine Formulierungen selbst sind es, die großes Lesevergnügen wach halten:
"Irgendwo, knapp außer Reichweite, geisterte nebelhaft und ungeformt eine Idee herum, sah, dass ich einen Blick auf sie werfen wollte, errötete, geriet in Panik und verschwand."
Besser kann man wohl kaum beschreiben, wie sich Einfallslosigkeit anfühlt – dieser Reichtum an Selbstbeobachtung, flankiert von einer Fülle ungewöhnlicher Mitspieler macht neben den bisher erschienenen neunzehn Romanen auch "Der Fall in Singapur" zu einer wunderbaren Wiederentdeckung.
(Lore Kleinert)
Ross Thomas, *1926 in Oklahoma City, rt zählt zu den großen amerikanischen (Polit-)Thrillerautoren, gestorben 1995 in Santa Monica, Kalifornien
Ross Thomas "Der Fall in Singapur"
Aus dem amerikanischen Englisch von Wilm W. Elwenspoek, bearbeitet von Jana Frey und Gisbert Haefs
Thriller, Alexander Verlag Berlin 2019, 320 Seiten, 16 Euro
eBook 12,99 Euro
Hinweis auf Ross Thomas "Porkchoppers"