Maike Albath
ROM, Träume
Moravia, Pasolini, Gadda und die Zeit der Dolce Vita
"In Italien ist die kürzeste Linie zwischen zwei Punkten die Arabeske."
(Ennio Flaiano)
Rom, die ewige Stadt in den fünfziger- und sechziger Jahren: Es war die Zeit des kulturellen Aufbruchs nach dem Ende des Faschismus. Schriftsteller und Filmemacher wie Moravia, Fellini, Pasolini , Morante, Flaiano, Calvino und viele andere bestimmten das kulturelle und politische Geschehen.
Lichtjahre entfernt
An den Schauspielhäusern arbeiteten Regisseure wie Giorgio Strehler und Luchino Visconti. Truman Capote schrieb in der Via Margutta, wo auch Fellini wohnte, seine "Grasharfe". Man traf sich in Restaurants und Cafés an der Piazza del Popolo. Auch Maler wie Guttuso sah man dort. Der Faschismus schien Lichtjahre her zu sein.
"Nach dem Krieg gab es in Italien eine literarische Explosion, die eine kollektive Erfahrung war", schrieb Italo Calvino 1959.
Bitterböse Abrechnung
Der Nachholbedarf war enorm. Italien dürfte zu dieser Zeit die kreativste Kulturszene Europas gehabt haben. Auf der Via Veneto, der berühmten Flaniermeile im Herzen Roms, drängelten sich längst auch die Hollywood-Stars. Nach den Ideen von Ennio Flaiano, dem römischsten aller römischen Schriftsteller, drehte Fellini in Cinecittá den Film "La Dolce Vita", der zum Inbegriff der italienischen Lebensart werden sollte. Aber Maike Albath beklagt in ihrem detail- und kenntnisreichen Buch:
"Dass der Film eine bitterböse und ironische Abrechnung mit dem dekadenten Lebensstil der damaligen römischen Oberschicht, den schmarotzenden Journalisten und der im Entstehen begriffenen Mediengesellschaft war, ist heute leider in Vergessenheit geraten".
Eigenwilliger Intellektueller
Eine besondere Rolle spielt auch Pier Paolo Pasolini, damals der berühmteste Intellektuelle Italiens. Der eigenwillige Homosexuelle und Kommunist, dessen Interesse als Regisseur, Dichter und Publizist den Außenseitern der Gesellschaft galt, wurde am 2. November 1975 in der Nähe von Ostia von einem Stricher namens Pino Pelosi erschlagen.
"Am 2. November, einem Sonntag, klingelte bei Nino Naldini frühmorgens das Telefon. Er wollte gerade Fellini abholen, um mit ihm zum Set nach Fregene aufzubrechen. Laura Betti war dran: Pasolini sei mit zertrümmertem Kopf in der Nähe des Wasserflughafens von Ostia aufgefunden worden."
Albaths Darstellung der nie ganz geklärten Hintergründe der Tat gehören zu den spannendsten Kapiteln in ihrem Buch.
Spannend und detailreich
Die Autorin, 2011 Jury-Mitglied des deutschen Buchpreises, gilt als eine der profiliertesten Kennerinnen der italienischen Gegenwartsliteratur. Sie hat ein ungemein detailgenaues, faktenreiches und zugleich unterhaltsames Buch geschrieben. Wer sich für Rom, für Geschichte und Kulturgeschichte der ewigen Stadt, für den Film und die italienische Literatur interessiert, für den ist "Rom, Träume" ein großes Lesevergnügen.
(Walter Langlott)
Maike Albath "ROM, Träume"
Moravia, Pasolini, Gadda und die Zeit der Dolce Vita
Berenberg Verlag 2013, 304 Seiten, 25 Euro