Anja Reich, Alexander Osang
WO WARST DU?
Ein Septembertag in New York
Wir haben ihn gerade noch einmal nacherlebt, diesen Tag, der zu Amerikas Trauma wurde und eine historische Zeitenwende markierte – 9/11, wie die Amerikaner sagen, der 11. September 2001, ein Tag, der sich eingeschrieben hat ins Gedächtnis der Welt.
Alltag in Brooklyn
Als die Attentäter zwei Passagierflugzeuge in die Türme des World Trade Centers in New York steuern, sind Anja Reich und Alexander Osang mit ihren Kindern Ferdinand und Mascha gerade zuhause in Brooklyn. Sie leben seit zwei Jahren in einem der typischen Brownstone-Häuser. Beide sind Reporter, er arbeitet beim Spiegel, der ihm damit einen Traum erfüllt hat. Sie ist zunächst etwas unfreiwillig auf ein Dasein als Mutter zurückgeworfen. Ihr Leben ist unspektakulär.
Sensationsgier
Zunächst kriegen sie gar nicht wirklich mit, was sich in Downtown Manhattan abspielt, bis das Spiegel-Büro anruft und Osang sich nach kurzem Nachdenken ins Auto setzt und in Richtung der brennenden Türme fährt. Unverantwortlich und leichtfertig, wird er später urteilen, denn alle fliehen aus der Stadt, nur er will rein. Jagd nach Sensationen oder legitime journalistische Neugier? Lust am Abenteuer oder Sensationsgier? Es ist alles auf einmal, und es wirft ein kritisches Licht auch auf den ganz seriösen Journalisten.
Die Katastrophe vor Augen
Osang und Reich schildern in ihrem Buch die Ereignisse aus ihrer jeweiligen, sehr persönlichen Perspektive, er im geschützten Keller, nachdem ihn die Staub- und Rauchwolke erwischt hat, sie unruhig und besorgt zuhause.
Sie schildern, die Katastrophe vor Augen, ihr Leben in dieser Stadt, ihre Beziehung, ihre persönlichen Schwierigkeiten und Eigenarten, ihr Verhältnis zu den Nachbarn. Ein Bericht, abseits der auf allen Kanälen laufenden Medienberichterstattung am 9/11 - nicht die wieder und wieder einstürzenden Türme, nicht die in Todesangst der aus den Fenstern springenden Menschen, nicht die Woge aus tödlicher Asche, unterlegt mit hundertfachen Kommentaren und Interpretationen.
Öffentlicher Schock
Reich und Osang vermischen in ihrem Buch persönlichen und kollektiven Schrecken, den privaten und öffentlichen Schock, sie schildern die Furcht der Nachbarn, die Angst um das eigene und das Leben der Familie ungefiltert und direkt. So entsteht ein dichtes, emotionales und beklemmendes Bild dieses einen Tages im September, der auch in einer persönlichen Katastrophe hätte enden können.
(Christiane Schwalbe)
Anja Reich, Alexander Osang: beide in Ostberlin geboren, Journalisten, leben wieder in Berlin
Anja Reich, Alexander Osang "WO WARST DU?"
Piper Verlag 2011, 272 Seiten, 19,90 Euro (3. Aufl.)
Taschenbuch 9,99 Euro, eBook 15,99 Euro