Wolfgang Schömel
Die große Verschwendung
Wer im Norden der Republik (und nicht nur dort) die Zeitung aufschlägt, liest im gegebenen Fall kritische Artikel über allerhand Kultur-Großprojekte, deren langfristiger Erfolg fraglich, die Finanzierung jedoch im höchsten Maße fragwürdig ist. Denn mit schöner Regelmäßigkeit werden solche Vorhaben viel, viel teurer als geplant. Aktuelles Beispiel: die Hamburger "Elbphilharmonie".
"Maritime Erlebniswelt" in Bremen
Der Autor Wolfgang Schömel ist Literaturreferent der Hansestadt Hamburg, er muss es also wissen. Mit einem solchen "eventkulturellen Projekt" befasst sich sein neuer Roman, und der spielt in Bremen und ist eine Politsatire, wie sie sozusagen in der Zeitung steht. "Maritime Oper" soll das Vorhaben hier heißen, und klar, es soll nicht bei einem simplen Opernhaus am Wasser, auf dem zugeschütteten Hafenbecken, bleiben: Ein Groß-Aquarium ("Sea-World") ist mit hineingeplant, ein Spielcasino, Läden, eine ganze "Maritime Erlebniswelt", so ein riesiges Multi-Event-Dings eben.
Grüner Senator in der Midlife-Krise
Der in der (fiktiven) bremischen Politik dafür Verantwortliche ist ein Grüner, Dr. Georg Glabrecht, der Wirtschaftssenator. Der hat mit dem Projekt seine liebe Not, da sind die Finanzen, hier die Medien, dort seine Partei; und er ist auch im Privaten gehetzt von seinen Ängsten und Frustrationen, steckt in einer fremd gewordenen Ehe und wirft nun ein Auge auf die attraktive, junge Adriana, die die rechte Hand des norwegischen Investors der "Maritimen Oper" ist. Glabrecht reitet sich in eine regelrechte Midlife-Krise hinein.
Hoch peinliche Situationen
Wolfgang Schömel teilt in seiner Satire lustvoll nach allen Seiten aus. Er macht sich mit Wonne über Politiker-Sprachhülsen lustig ("Leuchtturmprojekt", "Meilenstein", "Quantensprung"), er zeigt, wie absolut jeder mit derlei Planung Befasste schon von vornherein weiß, dass der öffentlich kommunizierte Finanzrahmen bei weitem nicht ausreichen wird. Und er lässt seinen von Lebensangst geplagten Senator Glabrecht in hoch peinliche Lagen geraten.
Wirklich witzig - aber man muss es abkönnen. Wer Berührungsängste mit deftigem Altmännersex hat, sollte lieber die Finger von diesem Buch lassen. Alle anderen werden sich herrlich amüsieren. Auch wenn man die Abläufe, mit denen jene "Leuchtturmprojekte" von Politik und Wirtschaft geplant werden, durchaus zum Heulen finden kann. In Bremen und anderswo.
(Gabi von Alemann)
Wolfgang Schömel *1952 in Bad Kreuznach, deutscher Germanist und Schriftsteller
Wolfgang Schömel "Die große Verschwendung" Klett Cotta 2011, 239 Seiten, 19,95 Euro