Hilal Sezgin
Artgerecht ist nur die Freiheit
Eine Ethik für Tiere oder Warum wir umdenken müssen
Inzwischen müssten wir sie alle kennen – die Bilder von eingepferchten Schweinen, gequälten Hühnern und bedauernswerten Puten, die unter der Last ihres angezüchteten Brustfleischs zusammenbrechen.
Breite Diskussion ums Fleisch
Bilder und Filme dieser allgemein als Fleischproduktion benannten Tierquälerei sind in den letzten Jahren deutlich häufiger in den Medien zu sehen als je zuvor. Lebensmittelskandale, Klimaschutz, Tierschutz und Gesundheit geben Anlass genug für eine zunehmend breitere Diskussion zum Thema. Aber genauso schnell wie wir die Schreckensbilder registrieren, blenden wir sie wieder aus, weil nicht sein kann, was nicht sein darf: Dass Menschen diese Tiere quälen, um sie später aufzuessen.
Irritierende Fragen
Hilal Sezgin, studierte Philosophin und Journalistin, macht das Ausblenden unmöglich. Kühl und sachlich stellt sie uns moralisch-ethische Fragen, die irritieren, weil sie unseren immensen Fleischkonsum gewaltig in Frage stellen; und weil sie eben nicht mal eben mit ja oder nein zu beantworten sind, sondern uns die Brutalität unseres Tuns vor Augen führen: Dürfen wir Tiere quälen? Dürfen wir Tiere töten? Dürfen wir Tiere nutzen?
Vom Tier zum Fleisch
In der Beschreibung dessen, was Tiere erleiden müssen, ist Sezgin nicht zimperlich. Der Weg vom Tier zum Fleisch zum Teller ist ein gewalttätiger, unmenschlicher, der ignoriert, dass Tiere Gefühle haben und Todesangst erleiden, wenn sie zur Schlachtbank geführt werden. Schweine brauchen Raum, um sich und ihre Ferkel zu versorgen, Hühner müssen picken, um sich wohl zu fühlen, Kühe schreien nach ihren Kälbern, wenn sie von ihnen getrennt werden - zum Zweck der Milchproduktion für Menschen.
Versuchstiere
Wir regen uns auf, wenn Japaner Wale für Sushi töten, nicht aber, wenn Hühner zu Tausenden in einen Stall gepfercht werden oder Schweine noch halb lebendig in brühend heißem Wasser verenden. In diese Reihe gehören auch Mäuse und Ratten, denen man Giftstoffe injiziert, um Kosmetikprodukte oder Arzneimittel zu testen.
Menschliche Moral
Sezgin lebt mit ihren Tieren auf einem Gnadenhof in Schleswig-Holstein. Aber ihr Buch ist kein pädagogischer Selbsterfahrungsbericht mit erhobenem Zeigefinger. Die kritischen Fragen beantwortet sie als Philosophin mit Blick auf menschliche Moralvorstellungen – ganz ohne Vorwurf oder Anklage reiht sie Fakten zu einer Bestandsaufnahme aneinander, die uns das Grauen lehrt.
Respekt vor den Tieren
Ein wichtiges, faktenreiches und sehr kluges Buch, das jedem ans Herz zu legen ist, der sich fragt, ob es in unserer aufgeklärten Zeit noch angemessen ist, Tiere zu essen. Ein Buch, das hoffentlich für erbitterte Diskussionen sorgt, damit Veganismus künftig kein sektenmäßiges Aussenseitertum mehr ist, sondern ein angemessenes moralisches Verhalten, das die Rechte von Tieren anerkennt und ihrer Lebensart Respekt erweist.
(Christiane Schwalbe)
Hilal Sezgin "Artgerecht ist nur die Freiheit"
Eine Ethik für Tiere oder Warum wir umdenken müssen
C.H. Beck 2014, 304 Seiten, 16.95 Euro
eBook 13,99 Euro