Sabine Bode
Nachkriegskinder
Die 1950er Jahrgänge und ihre Soldatenväter
2014 ist das Jahr der Erinnerung: an den Ersten Weltkrieg, der vor hundert Jahren begann, an Tod, Zerstörung und Verzweiflung, an Millionen Opfer, an traumatisierte Soldaten, an Flucht und Hunger.
Es bleibt Schweigen
Kriegsvergangenheit ist etwas, worüber man lieber schweigt. Das haben auch die nach dem Zweiten Weltkrieg Geborenen erfahren – ihre Väter und Mütter waren in der Regel unfähig oder nicht bereit, über die Schrecken des Krieges zu sprechen. Nachkriegskinder beklagen das Schweigen ihrer Väter und Mütter bis heute.
Täter und Oper
Sabine Bode, die bereits zwei erfolgreiche Bücher über Kriegskinder und Kriegsenkel geschrieben hat, widmet sich nun diesen Kindern der 1950er Jahrgänge, die zwar schon im Frieden, zugleich aber noch in die Not der Nachkriegszeit geboren wurden. Sie spürt den verstörenden Erfahrungen mit den Soldatenvätern nach und ihrem Selbstverständnis als Opfer, selbst wenn sie Täter waren.
Sie hat Menschen gefunden, die bereit waren, über diese gebrochenen Beziehungen zu sprechen, die - unbewußt und zunächst unbemerkt - psychische Probleme bewirkten, die manchmal erst Jahrzehnte später auf Belastungen der Eltern-Kind-Beziehung zurückgeführt wurden, die durch Kriegserlebnisse entstanden.
Schuld und Abwehr
Die schwierige Kindheit der Nachkriegszeit, Männer und Frauen, die die Schrecken des Krieges erlebt hatten; die für oder gegen die Nazis waren, das eine nicht zugeben wollten, das andere nicht konsequent umsetzen konnten; Kinder von Vätern und Müttern, denen die Nazierziehung buchstäblich noch in den Knochen steckte; Schuldgefühle und tiefe Ängste, übertragen auf Kinder, deren Eltern mit Scham, Rechtfertigung oder Abwehr reagierten – davon berichtet dieses Buch.
Thematische Überschneidungen
Man liest es sinnvollerweise nach Bodes "Die vergessene Generation", denn beide Bücher greifen ineinander, überschneiden sich und machen die psychischen Folgen beider Weltkriege über drei Generationen hinweg sichtbar. Wer als Mann 1910 geboren ist, hat als Kriegskind den ersten und als Soldat den zweiten Weltkrieg erlebt. Ein Mädchen, 1917 noch im Krieg geboren, war als junge Mutter den Erziehungsnormen der Nazis ausgeliefert.
Erinnerung wachhalten
"Die vergessene Generation" ist dabei deutlich eindringlicher, faktenreicher und überzeugender als "Nachkriegskinder". Gleichwohl: Viele Aussagen verblüffen, verschrecken und machen nachdenklich. Denn es geht um eine Zeit, die wir in Europa - inzwischen seit fast 70 Jahren in Frieden lebend - immer weniger detailliert nachvollziehen können.
Es ist das Verdienst von Sabine Bode, mit ihren Büchern Verdrängung aufzuheben, Erinnerung wachzuhalten und die (seelischen) Spätfolgen zweier Weltkriege bewusst zu machen.
(Christiane Schwalbe)
Sabine Bode "Nachkriegskinder" - Die 1950er Jahrgänge und ihre Soldatenväter
Klett-Cotta 2014, 4. Auflage, 302 Seiten, 19,95 Euro, eBook 15,99 Euro
"Die vergessene Generation" – Die Kriegskinder brechen ihr Schweigen
Klett-Cotta Taschenbuch 2014, 14. Auflage, 304 Seiten, 9.95 Euro, eBook 7,99 Euro