Hans Adler
Das Ideal
Humor und Melancholie sind zwei Merkmale menschlicher Lebenseinstellung, die sich aufs Schönste miteinander verbinden können. Ein Glücksfall für die Literatur, wenn das klappt, und wenn der Autor dann noch Wiener ist, kommt obendrauf das Sahnehäubchen. Hans Adler(1880-1957) ist ein solcher Glücksfall, ein fast vergessener Autor, den der Lilienfeld Verlag für uns mit der Neuveröffentlichung seines 1926 entstandenen Romans "Das Städtchen" (2009) wiederentdeckt hat.
Miniaturen des komischen Scheiterns
Nun ist bei Lilienfeld ein kleiner Band mit (z.T. nachgelassenen) Erzählungen des österreichischen Satirikers erschienen, "Das Ideal", die den Autor erneut als Meister des bös-bissigen Gesellschaftsporträts ausweisen. Sie sind zumeist in den 20er, 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts entstanden und atmen den Zeitgeist ihrer Epoche, ohne je konkret politisch-zeitbezogen zu sein. Aber Hans Adlers unnachahmliche Sprachkunst, gepaart mit jenem Zeitgeist, macht seine Erzählungen zu unsterblichen Miniaturen des komischen Scheiterns, die man immer wieder lesen (und vorlesen!) kann.
Ein besonderer ironischer Ton
Adlers Figuren sind fast ausnahmslos 'Loser', wie man heute sagen würde; es sind biedere Beamte, gescheiterte Schauspieler, verhinderte Dichter, lose Vögel aller Art, und Frauen, die sich aufs Berechnen, Verführen, Glänzen verstehen. In "Die Witwe" z.B. erkrankt der Rechnungsrat Michalek, der seit 28 Jahren brav in die Beamtenpensionskasse eingezahlt hat, plötzlich an einer Grippe und muss auf dem Sterbebett erkennen, dass er gar keine Witwe hat, die seine Pension nun erben und genießen wird, "mit Zinsen und Zinseszinsen". "Die Straßenbahn und das Blut sausten ihm in den Ohren", heißt es über den bedauernswerten Kranken, und in diesem kleinen Satz steckt Hans Adlers ganze Kunst, sein besonderer ironischer Ton: So pathetisch und so banal geht es zu, im Leben und im Sterben...
Immer wieder handeln Adlers Erzählungen vom Davonkommen: Mal hängt ein Mann seine Verlobte ab ("Das Froscherl"), mal sie ihn ("Mich nicht..."), mal rächt man sich elegant am Nebenbuhler ("Der Andere"). Aber zuletzt sind es doch immer Pyrrhussiege, die Verlierer reden sie sich schön ? und der amüsierte Leser schmunzelt über das Pech der lieben Mitmenschen.
Dank an das Trüffelschwein
Hans Adler, der pensionierte Jurist und lungenleidende Wiener Bohémien, schrieb Stücke, Operetten-Libretti, Übersetzungen, auch satirische Verse, deren heiter-melancholischer Ton an Erich Kästner erinnert. Vieles davon ist heute leider vergessen.
Wie schön, dass dieser hübsch gebundene kleine Halbleinenband uns solch einen wunderbaren Schriftsteller erneut vorstellt. Und Dank an das begabte Trüffelschwein des Lilienfeld Verlags, das dieses Kleinod aufgespürt hat.
(Gabi von Alemann)
Hans Adler 1880 - 1857, Wiener Jurist und Schriftsteller
Hans Adler "Das Ideal"
Lilienfeld-Verlag 2011, 186 Seiten, 19,90 Euro