Ulrich Schacht
Kleine Paradiese – Erzählungen
Sein ganz persönliches Paradies liegt hoch im Norden, in Schweden, in einer Landschaft von Wiesen und Hügeln, neben einem kleinen Wäldchen, nahe am Meer, mit salziger Luft und hohem Himmel, "der hell bleibt im Sommer, auch nachts" und mit weitem Blick in die Natur.
Stille
Hier ist es still, "zu still, meinen einige Freunde, die von weither anreisen müssen, wollen sie uns besuchen …" aber "es hat uns noch keiner verlassen ohne Melancholie in Stimme und Blick, jetzt wisse man, in welchem Paradies wir lebten".
Lebensgeschichten
Das ist die Gegenwart, hier lebt und arbeitet Ulrich Schacht, dem im September der Eichendorff-Preis verliehen wird. Aus der überschaubaren, ländlich-idyllischen Gegenwart führt er uns in eine Welt der - manchmal zufälligen - Begegnungen mit Menschen, denen (auch) die Schrecken der jüngeren Vergangenheit zugesetzt haben - biografische Notizen, fast nebenbei, die doch eine ganze Lebensgeschichte erzählen: "Die Nummer auf Ilónas linkem Unterarm war kaum zu erkennen im lediglich von Kerzenlicht erhellten hinteren Teil des langgestreckten Raumes, ich sah sie wohl deshalb nur so deutlich, weil ich von ihr wußte."
Eiskaltes Essigwasser
Dann wieder geht es zurück in die durchaus erheiternde, gleichwohl manchmal quälende Realität seines kleinen Paradieses in Schweden: Mücken! Wer würde beim Gedanken an Sommer in Schweden nicht die Myriaden von Mücken assoziieren, die ihre schmarotzende Existenz auf menschlichen Körperteilen ausleben, was nur dank Großmutters Geheimrezept – eiskaltes Essigwasser – gelindert werden kann.
Wir erfahren von Loppis, schwedischen Flohmärkten, auf denen sich neben antiken Möbeln und dem üblichen, wohl gesamteuropäischen Krimskrams, eben auch Fundgruben finden, die den Autor in Verzückung versetzen können: alte Bücher aus Deutschland, von Emigranten hinterlassen. Wieder eine Geschichte.
Stromausfall
Der Autor führt uns von Schweden nach Dänemark - in einen Zug, der dort wegen Stromausfall erst mal nicht ankommen wird. Aber welch' wunderbare Eindrücke tun sich selbst bei unerwarteten Hindernissen auf: Die Vor- und Nachteile der Dänischen Staatsbahn, in der auch ein Asiate Platz genommen hat und Erinnerungen an japanische Lebensart weckt.
Verwandlungen
Ein Schloss an der Grenze zum Böhmischen – mit einem gewissen Dichter Gregor unter der Überschrift "Verwandlung", dem bei einer Lesung geheimnisvolle Dinge widerfahren - immer weckt der Autor Assoziationen, bleibt rätselhaft auch im Café Slavia in Prag und in Paris, auf der Suche nach dem Hotel, in dem er mit seiner ersten Liebe übernachtete.
Geschichten vom Leben
Ulrich Schacht schreibt sprachlich dichte, wunderbar poetische Erzählungen über das Leben und seine unentdeckten Schönheiten, über Geschichte, die uns nicht loslässt, über legendäre Orte und kleine Paradiese, die uns ein Stückchen Glück erleben lassen und die wir bei genauer Betrachtung überall entdecken können – sanft, heiter, geheimnisvoll, nachdenklich, verträumt und ganz real.
(Christiane Schwalbe)
Ulrich Schacht *1951 in Stollberg/Erzgebirge, deutscher Journalist und Autor von Lyrik, Prosa und Essays, lebt in Schweden
Ulrich Schacht "Kleine Paradiese"
Erzählungen
Edition Rugerup 2013, 184 Seiten, 17,90 Euro
Weitere Buchtipps zu Ulrich Schacht
"Notre Dame"
"Grimsey" - Eine Novelle