Stefano Benni
Die Pantherin
Wer Stefano Bennis Bücher noch nicht kennt, hat mit "Die Pantherin" jetzt die Chance, in seinen Kosmos einzusteigen: zwei wunderbare Erzählungen in einem schönen, roten Wagenbach-Band.
Drei Prinzen
Ein junger Mann, erst fünfzehn, hat die Schule geschmissen und jobbt in der Accademia di Tre Principi, dem größten Billardsalon der Stadt, einem weitläufigen Keller mit vierzig Tischen in Zehnerreihen und den "drei Prinzen", den Billardtischen, die nur den größten Könnern vorbehalten sind.
"Ich erinnere mich an jedes Detail dieser Partie, auch wenn etwas in der Luft lag, das sie eher einem Traum gleichen ließ als einem realen Ereignis. Nur die Neonröhren über den „Prinzen“ leuchteten, und im Zauber des Lichts tanzten die Spieler, rundum war alles Dunkel, und im Dunkel waren unsere versteckten Seelen, unser Atem, die Glut der Zigaretten, die unsichtbaren Geräusche."
Göttlicher Kampf
Wie Benni das Ambiente im Salon beschreibt, dessen Tische ihn mal an Smaragdseen erinnern, mal an Gräber, um die herum "eine melancholische und desillusionierte Menschheit trauerte", ist atemberaubend. Seine Erzählung gipfelt in einem Spiel zwischen der Pantherin, einer jungen Frau, die nach einer elenden Kindheit mit Hilfe des Spiels zur Legende wurde, und einem Engländer, der ihr ebenbürtig ist. Bennis Sprache ist reich, originell und von fast filmreifer Bildhaftigkeit; man glaubt die Akteure vor sich zu sehen und die Spannung ihres ironisch ins Göttliche überhöhten Kampfes mitzuerleben.
"Die Pantherin streckte sich auf dem Billardtisch aus, wie immer wunderbar und feinfühlig im Anschlag, doch der Engländer war ein Teufel, nun knallte sein Queue wie eine Pistole, die Kinetik war nun Chaos, Gesteinskriechen, Krampf. Was auch immer sie für eine Taktik vorbereitete, er warf sie über den Haufen, überraschte sie."
Reichtum des Meeres
Auch in der zweiten Geschichte geht es um das Leben: die zwölfjährige Schülerin Maria Alina, auf sardisch Aixi genannt, weil sie so dünn wie eine Sardelle ist und mit den Gedanken immer am und im Meer, versucht, ihrem todkranken Vater, einem Fischer beizustehen. Allein will sie einen großen Fisch fangen und zu Geld machen, um Medizin kaufen zu können, und immer wieder ufert die Erzählung ins Surreale aus, in die Phantasie über die Reichtümer des Meeres, in die Ränder des Lebens der armen Leute von Sardinien.
"So ist es gelaufen, das Meer hat alles gesehen und erinnert sich. Vertrau dich dem Meer an. Es erzählt mit geschlossenen Lippen, wie wenn man beim Untertauchen den Atem anhält."
Originell und ungewöhnlich
Auch hier entfaltet sich ein geheimes ganzes Leben, und Bennis Stil spielt mit den Worten und ihren Bedeutungen und bringt die Schönheit und den Reichtum des Mädchens Aixi zum Leuchten. Was tatsächlich geschieht, ist zweitrangig, denn es kommt dem Autor darauf an, höchste Intensität im Erleben nachvollziehbar zu machen, und das gelingt ihm in origineller und ungewöhnlicher Sprache. Nur der Schmerz kennt keine Jahreszeiten, heißt es da, und Aixi hört das Klagen ihres Vaters, diskutiert mit dem Meer und weiß, was zu tun ist.
Stefano Benni, einer der erfolgreichsten und bekanntesten Autoren Italiens lädt ein, sie zu begleiten, und man folgt ihm ebenso gern aufs Meer wie in die Billardhöhle der "Drei Prinzen", an deren Stelle heute ein Kaufhaus steht.
(Lore Kleinert)
Stefano Benni *1947 in Bologna, wo er auch lebt, erfolgreicher italienischer Schriftsteller und Autor von Theaterstücken
Stefano Benni "Die Pantherin"
Aus dem Italienischen von Mirjam Bitter
Verlag Klaus Wagenbach 2016, 96 Seiten, 15 Euro