Gunna Wendt
Clara und Paula
Das Leben von Clara Rilke-Westhoff und Paula Modersohn-Becker
Zwei Frauen haben sich der Kunst verschrieben. Ende des 19. Jahrhunderts ist diese Entscheidung höchst ungewöhnlich, fast unschicklich. Die beiden Frauen heißen Paula Becker und Clara Westhoff. Sie werden sich hartnäckig und dickköpfig durchsetzen. Die eine als Malerin, die andere als Bildhauerin.
Ein Fest in Paris
In der Männerdomäne Kunst müssen sie manche Niederlage einstecken bis man geneigt ist, ihre Fähigkeiten anzuerkennen. Das gilt für Paris, wo die beiden studieren wie auch für München, Leipzig und Berlin. 1898 hatten sich die beiden in Worpswede kennengelernt und waren Freundinnen geworden. Zwei Jahre später in Paris, Paula hat Geburtstag:
"Oh Clara, Sie und ich in Paris. Das ist ein Fest. Da ist Champagner in der Luft."
Seelenverwandtschaft
Die beiden Freundinnen fühlen sich als Seelenverwandte. Sie unterstützen und ermutigen sich gegenseitig, um in der Welt der Männer ihren Platz zu erobern. Im Künstlerdorf Worpswede werden sie nicht nur als Künstlerinnen respektiert, dort finden sie auch ihre Ehemänner. Paula heiratet Otto Modersohn, Clara wird die Frau von Rainer-Maria Rilke, den Paula verehrt und bewundert.
"Und doch ganz Weib"
Glücklich sind beide Ehen nicht, die Frauen gehen zu beharrlich ihre eigenen Wege. Freiheit im Leben und in der Kunst geht ihnen über alles. Was Otto Modersohn immer wieder zutiefst irritiert.
"Ob wohl alle begabten Frauenzimmer so sind? Begabt in der Kunst ist Paula ja sehr. Ich bin erstaunt über ihre Fortschritte. Wenn sich damit doch mehr menschliche Tugenden verbänden. Das muss das Schwerste für ein Frauenzimmer sein: geistig hoch, intelligent und doch ganz Weib."
Mit gestutzten Flügeln
Während Otto sich von Paula vernachlässigt fühlt, ordnet sich Clara ihrem Mann anfänglich gänzlich unter. Die gemeinsame Tochter bleibt bei den Eltern, das Paar hat dramatische Geldsorgen.
"Sie hat ihre ganze Individualität eingebüßt. Wo sie vor einem Jahr tobte, in ihrem einfachen, bäuerlichen Kram saß, zwanglos und ungeschlacht. Da sitzt sie nun, ein Vogel, dem man die Flügel geschnitten, still in ihrem Sessel."
Die Veränderung Claras lässt auch die Freundschaft zu Paula abkühlen. Sie kommen sich erst später wieder nahe. Die Beziehung endet abrupt mit dem frühen Tod Paulas nach der Geburt ihrer Tochter 1907. Sie wurde nur 31 Jahre alt.
Spannend und kurzweilig
Gunna Wendt erzählt die Geschichte der beiden Freundinn lebendig und kenntnisreich, ergänzt Bekanntes durch neue Fakten, die sie in Gesprächen mit Familienangehörigen zusammengetragen hat. Dazu Zitate aus den Briefen Worpsweder Künstler und vor allem aus der regen Korrespondenz der beiden Frauen, in der es auch um große Namen geht: Rodin und Cézanne, Gauguin, und van Gogh, Hans am Ende, Ricarda Huch, Oscar Wilde, Bernhard Hoetger, Max Klinger und Heinrich Vogeler. Kurzbiografien ergänzen das Buch und lassen Zusammenhänge erkennen. Zwischen Paula und Worpswede, Paris, München und Leipzig. Ein ebenso kurzweiliges wie spannendes Buch.
(Christiane Schwalbe)
Gunna Wendt "Clara und Paula"
Das Leben von Clara Rilke-Westhoff und Paula Modersohn-Becker
Neuer Europa Verlag 2007, 268 Seiten, 17.90 Euro
Piper Verlag Taschenbuch 5. Auflage, 272 Seiten, 9,95 Euro