Kathrin Schrocke
Immer kommt mir das Leben dazwischen
Karl ist 13 als ihm sein geliebter, verstorbener Opa im Traum erscheint. Irgendwie ist er davon wenig überrascht, eher schon von der Empfehlung, es doch mit einer Karriere als Youtuber zu versuchen. Das passt so gar nicht zu seinem Opa. "Danach bin ich mit einem fetten Grinsen im Gesicht aufgewacht. Das war die erste spirituelle Berufsberatung meines Lebens!"
Verhinderter Youtuber
Seine Eltern sind Wissenschaftler und erklären das Phänomen neurowissenschaftlich. Seine Mutter setzt zu einem Vortrag über den REM-Schlaf an; die Youtube-Karriere hingegen halten sie für keine gute Idee. Es kommt sowieso ständig etwas dazwischen: Die Oma fühlt sich nach dem Tod des Großvaters allein und will in ein Mehrgenerationenhaus ziehen, die Eltern sprechen nur von einer Hippie WG, bei Irina, in die er schon lange verliebt ist, kommt er nicht wirklich zum Zuge, allenfalls als bester Freund aus Kindertagen, und dann wollen sich auch noch die Eltern trennen. Sie nennen es eine "kleine Auszeit". Er hilft der Oma heimlich beim Umzug auf Probe, nachdem der Opa ihm erneut im Traum erschienen ist, und gerät durch den rosafarbenen Umzugswagen und die erst 17-jährige Fahrerin ins Visier der Polizei. Als die Beamten im Handschuhfach alle möglichen Chemikalien finden, kassieren sie zu allem Überfluss auch noch sein Handy zur Überprüfung ein– das war's dann erstmal mit der Youtube-Karriere.
Realistischer Träumer
Der Vater kauft sich eine E-Gitarre, die Mutter macht sich für ihren neuen Chef schick und Karl hat das Gefühl, die Verantwortung übernehmen zu müssen. Als sie ausgeht befiehlt er ihr:
"'Nicht zu spät!' … Meine Mutter verschwand kopfschüttelnd und Irina am anderen Ende lachte. 'Karl, das ist echt krass. Seit deine Eltern sich getrennt haben, bist du plötzlich der Erwachsene. Darüber solltest du einen Youtube-Kanal machen.'"
Als er seiner Mutter irgendwann an Beispielen erklärt, was der Unterschied zwischen Lifehacks, Pranks und Challenges ist, stellt sie nur fest
"'Weißt du Karl … als ich in deinem Alter war, habe ich davon geträumt, irgendwann mal den Nobelpreis zu bekommen. Mir gefällt an der heutigen Jugend, dass die Träume realistischer geworden sind.'"
Leicht und selbstironisch
Ein witzig erzählter Roman, der nach der überraschenden Botschaft aus dem Jenseits schnell Fahrt aufnimmt und die vielfältigen Probleme sprachlich leicht und unbeschwert bewältigt. Wie peinlich Eltern sind, wenn sie ihre Midlife-Crisis ausleben, wird von Karl liebevoll kommentiert. Die eigenen pubertären Identitätsprobleme sind mit viel selbstironischer Distanz erzählt. Das Ende ist dann allerdings wenig überraschend und zum Schluss kommt auch der Opa noch einmal zu Wort – zu Liebesdingen will er sich dann aber besser nicht äußern und verschwindet mit einem "langen, freundlichen Seufzen".
(Iris Knappe)
Kathrin Schrocke *1975 in Augsburg, Studium der Germanistik und Psychologie, dann freischaffende Autorin, ihre Jugendromane sind vielfach ausgezeichnet; sie lebt in Essen
Kathrin Schrocke "Immer kommt mir das Leben dazwischen"
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