Sarah Crossan
Toffee
Allison ist vor ihrem gewalttätigen Vater geflohen; sie will zu seiner Ex-Freundin Kelly-Anne, die sich immer um sie gekümmert hat. Auf ihrer Flucht kommt sie an einem scheinbar verlassenen Haus vorbei, in dem sie Unterschlupf sucht.
Marla und Allison
Es stellt sich jedoch schnell heraus, dass Marla dort lebt, eine ältere, demente Frau. Diese hält sie für eine Freundin aus der Vergangenheit, ihr Name: Toffee. Zuerst nutzt Allison diesen für sie glücklichen Zufall; als sie Marla jedoch näher kennenlernt, will sie von ihr auch als Allison wahrgenommen werden. Zwischen den beiden entsteht eine zarte Freundschaft, denn Marla hat immer wieder lichte Momente, in denen sie auch nach Allisons Brandwunde im Gesicht fragt.
„Marla hält meine Hand. Das hast du nicht verdient. Aber es ist so. Ein Teil von mir glaubt, ich hätte es doch verdient, voll und ganz verdient, genau wie das, was in all den Jahren vorher passiert ist.“
Schmerz und Zärtlichkeit
„Toffee“ ist, wie schon die vorherigen Romane von Crossan, ein Gedichtroman. Die reduzierte Sprache ist von enormer Kraft und Klarheit; Schmerz und Trost scheinen sich abzuwechseln.
„Marla lässt meine Hand los. Mit dir hat das nichts zu tun, rein gar nichts. Es ist nur um ihn gegangen. Dreht sich immer nur um die, das weißt du doch, oder?“
Es ist die schmerzhafte Geschichte von einer, die von zu Hause weggehen muss, um sich zu finden, inmitten all der Ängste vor dem Vater, der seinen Hass auf die Welt über sie ausschüttet. Dabei ist es aber auch eine Geschichte voller Hoffnung:
„Ich bin ein junger Mensch, der vergessen will. Marla ist ein alter Mensch, der sich zu erinnern versucht. Manchmal bin ich traurig. Manchmal ist sie wütend. Trotzdem. Hier in diesem Haus bin ich so glücklich wie nie zuvor.“
Allison findet bei Marla zumindest für eine Weile die Zugehörigkeit, die sie gesucht hat. Sie hatte bislang immer das Gefühl, nie zu genügen: „Wenn man lernen könnte, liebenswert zu sein, so wie man lernen kann Klavier zu spielen oder Verben zu konjugieren, dann stünde auf meinem Zeugnis: Muss sich mehr bemühen.“
Die beiden bauen gemeinsam am Strand Sandburgen oder tanzen in der Küche, und Allison spürt zum ersten Mal, dass sie etwas zu geben hat. Die Beziehung zu Marla wird liebevoll und mit großer Menschlichkeit beschrieben – es gibt zwar kein Happy-end, aber ein versöhnliches Ende.
(Iris Knappe)
Sarah Crossan, *1981 in Dublin, aufgewachsen in Irland und England, Lehrerin für Englisch und Theater, mehrfach ausgezeichnete Autorin, lebt in England
Sarah Crossan „Toffee“
ausgezeichnet mit dem LUCHS-Preis im Januar 2023
Hanser Verlag 2023, 352 Seiten, 19 Euro
eBook 14,99 Euro
ab 14 Jahren