Tamara Bach
Vierzehn
"Du sitzt wieder auf dem bisschen Bank in dem bisschen Park, aber hier ist kein Hund, und hier ist kein Park, hier bist du nicht allein, sondern mit deiner Mutter, aber doch alleiner als vorhin im Park.“
Erster Schultag
Beh ist vierzehn und fühlt sich ziemlich einsam und unbeachtet an diesem ersten Schultag nach den Ferien. Sie war länger krank, kann also wenig über schöne Reiseerlebnisse erzählen; anders ihre Freundinnen, die über gemeinsame Geschichten lachen. Dabei müsste sie glücklich sein, durch den Tag schweben, hat sie doch gerade erst ihren ersten Kuss von Anton, einem Schulfreund, bekommen.
Auf dem Weg zur Schule schreibt sie an ihn:
"Ich habe heute von Elefanten geträumt. Du schaust auf dein Handy, siehst, dass die Nachricht gelesen wurde, siehst, dass geschrieben wird. Bekommst eine Antwort. Lächelst.“
Es kommt noch eine Nachricht - eine Elefantenpostkarte, die Beh am Nachmittag aus dem Briefkasten fischt.
Leerstellen
Dieser Nachmittag hat es auch sonst in sich. Beh führt den Hund einer Freundin der Mutter aus und besucht den Vater in seiner unfertigen Wohnung. Er ist ausgezogen, hat eine neue Frau. Als sie kommt, ist er unsicher und plappert unentwegt. Sie gehen durch die fast leere Wohnung:
"Du zuckst mit den Schultern, gehst weiter, machst schon die nächste Tür auf, während er noch ‘warte‘ sagt. Und dann ist es still.“
Sie stehen in einem Kinderzimmer und in ihr ist plötzlich eine große Leere. Der Vater war zu feige, ihr von dem neuen Kind, ihrem Halbbruder zu erzählen.
Das ist die eine Geschichte: Einsamkeit, Verlassenheit, Leere. Die andere ist glücklicher. Im Schwimmbad fügen sich beide zusammen. Ihre Freundin ist verliebt in den Bademeister und schenkt Behs Problemen wenig Aufmerksamkeit. Aber als sie das Schwimmbad verlässt, trifft sie Anton mit seiner kleinen Schwester, die beiden begleiten sie nach Hause.
Fremdes Du
Die Geschichte ist in einer ungewöhnlichen Du-Perspektive erzählt; das schafft Distanz, trotz der scheinbaren Vertraulichkeit. Die Dialoge sind kurz, die Beschreibungen manchmal nur Satzfetzen – das verstärkt den Eindruck von Behs Einsamkeit und Leere. Überhaupt wird vieles nicht ausgesprochen und wenn es Gespräche gibt, dann führt das oft zu Misstönen. Die Sprache ist alltäglich, dabei aber konzentriert und so reduziert, dass sie fast schon poetisch wirkt. Wenn Beh zum Beispiel mit Anton telefoniert:
"Du versuchst leise zu sein, zu sagen, dass alles in Ordnung ist, aber da sieht er schon, dass du weinst. 'Ja.‘ Wegen ihm? 'Nein.‘ Ob du traurig bist. Er hört dich nicken.“
Ein schmaler Roman, unglaublich dicht und ausdrucksvoll erzählt, auch durch die Reduktion der Geschichte auf einen einzigen (Schul)Tag nach den großen Ferien. Aber der Leser muss Geduld haben, bis er endlich erfährt, was es mit der Elefantenpostkarte auf sich hat. Die Geschichte erschließt sich zwar Stück für Stück genauer, aber bis zum Schluss verrät die Autorin nicht, was auf der Postkarte stand – eine mutige Entscheidung.
(Iris Knappe)
Tamara Bach, *1971 in Limburg/Lahn, erhielt bereits für ihr erstes Buch "Marsmädchen“ den Deutschen Jugendliteraturpreis sowie viele weitere Preise. Sie lebt in Berlin.
Tamara Bach "Vierzehn“
Carlsen Verlag 2016, 107 Seiten, 13,99 Euro
eBook 9,99 Euro
Ab 14 Jahren