Der literarische Küchenkalender 2022
Mit Texten, Rezepten & Bildern
Mit Jane Gardams Mehlpudding ins Neue Jahr oder doch lieber mit Barbara Pyms „Hackemarie”? Sally Rooney animiert uns zu halbierten Erdbeeren auf Milchreis und Uta Ruge kocht Hochzeitssuppe, auch wenn niemand heiratet.
Taubenerbsen
Sich mit dem literarischen Küchenkalender durch das Jahr zu kochen ist ein Vergnügen auch dann, wenn man den Autor, die Autorin nicht kennt – man kann sie kochend kennenlernen, um herauszufinden, warum gerade sein/ihr Rezept so außergewöhnlich oder – ganz im Gegenteil – so wunderbar alltäglich daherkommt. Wie Pelau mit Erbsen, ein asiatisches Gericht, das in Claire Adams Roman „Goldkind” eine Familie in Trinidad immer wieder an den gemeinsamen Tisch bringt. Die Autorin ist auf Trinidad geboren und aufgewachsen:
„Zum Abendessen gibt es heute ein Spezialgericht, Pelau, aus Reis, Hühnchenfleisch und Straucherbsen, die sie hier >Taubenerbsen< nennen. Wieder essen sie draußen, unterhalten sich ein bisschen über die Neuigkeiten vom Tag, beobachten, wie der Himmel seine Farbe verändert.”
Piroggen in Kanada
Jocelyne Saucier nimmt uns mit in den Northlander-Zug durch Kanada. Ihre Protagonistin ist krank, ihre Reise eine Flucht und Pirogge mit Fisch in manchen Situationen ein durchaus beruhigendes Gericht. In ihrem Roman „Was dir bleibt” beschreibt die Autorin „Eine Odyssee mit einem guten Ende und einem Gericht, das wer weiß auf welchem Weg von Russland nach Kanada gereist ist.”
In Richard Fords Erzählband „Happy” wird oft und gern Lamm gegessen: „Tommy war zum Einkaufen nach Camden hochgefahren, für große Lammkoteletts und Sommermais und Ochsenherzen ... Alle freuten sich auf das Feuer am Strand.” Im "dicken Fayenceteller" bekommt Joseph Conrad in seinen Lebenserinnerungen eine „Bouillabaisse simple” serviert, und Christine Wunnicke läßt uns auf ihren literarischen Reiseabenteuern in „Die Dame mit der bemalten Hand” an einem spannenden Treffen zwischen Carsten Niebuhr, Naturforscher aus dem Bremischen, und Meister Musa aus Persien teilhaben. Die west-östliche Annäherung geschieht auch kulinarisch - mit Quark-Mandelklößchen.
Kuchenbrötchen und Frikadellen
Selbstgebackenes Brot von Christoph Peters lernen wir in seinem „Dorfroman” kennen, Jonas Jonasson, der „einen Hundertjährigen aus dem Fenster klettern und verschwinden ließ und damit einen millionenfach verkauften Bestseller landete" liefert Frikadellen; Kuchenbrötchen mit Rosinen sind in Felix Gilberts „Lehrjahre im alten Europa” nicht nur „eine wirkliche Köstlichkeit”, sondern auch „Symbol einer Zeit geblieben, in der die Welt im Frieden war” - in seinen Kinderjahren. Elena Ferrante ist mit heißer Schokolade dabei, Eduard von Keyserling mit Rehbraten und Madeleine Albright, die einstige US-Außenministerin unter Bill Clinton, liefert Dukatenbuchteln für's Jahresmenü:
„6. Januar 1942: In den Schaufenstern der Geschäfte sieht man meistens nur Essig und Schuhputzzeug ... Ich habe keinen Hunger, weil ich kein Fleisch essen mag, das es sowieso nicht gibt. Ich mag eine bestimmte Art Klöße und Suppe und Buchteln (Germknödel), und die Zutaten dafür habe ich ..."
Thomas Manns „Buddenbrooks" liefern für's Weihnachtsessen pochierten Lachs und Theodor Storm kredenzt den Silvesterpunsch.
Ein schön illustrierter und unterhaltsamer Begleiter durch das kommende Jahr, der mit Geschichten, Rezepten und Anekdoten gleichermaßen Appetit macht auf literarische und kulinarische Abenteuer.
(Christiane Schwalbe)
Sybil Gräfin Schönfeldt, *1927 in Bochum, österreichisch-deutsche Journalistin und Schriftstellerin, lebt in Hamburg
Der literarische Küchenkalender 2022
Hrsg. von Sybil Gräfin Schönfeldt
Mit Texten, Rezepten & Bildern
edition momente 2021, 60 Blätter, 93 Abbildungen, vierfarbig, 20 Euro