Steve Hamilton
Das zweite Leben des Nick Mason
Teufelspakte gehen selten gut aus, das weiß auch Nick Mason, der seit fünf Jahren für den Mord an einem Polizisten im Hochsicherheitsknast von Terre Haute sitzt, obwohl er ihn nicht begangen hat. Doch Nick hat seine Kumpels nicht verraten und bleibt seiner Regel, im Zweifelsfall zu schweigen, treu.
Gut geplant
"Keine Schwäche zeigen, keine Angst zeigen" – die stoische Grundhaltung des Mannes, der in Chicagos Irenviertel Canaryville in der South Side aufwuchs und bei seinen gut geplanten Raubzügen nie gefasst wurde, bringt ihm die vorläufige Entlassung ein, zu einem hohen Preis. Der schwarze Gangsterboss Cole braucht einen Mann wie ihn, mit den Tugenden eines Samurai, um aus dem Gefängnis heraus für Ordnung zu sorgen. Ordnung heißt, dass Nick in seinem Auftrag zum Killer wird, und das gelingt ihm bestens.
"Das ist der Mann, den ich töten werde, dachte Mason. Es verblüffte ihn, dass er sich das einfach so sagen konnte, aber so war es nun mal. Eine schlichte, unumstößliche Tatsache. Tyron Harris ging über die Straße, ohne zu ahnen, dass sein Leben vorbei war. Es wäre gut zu wissen, warum er das Opfer ist, dachte Mason."
Ein neuer Held
Mit Nick Mason erschafft Steve Hamilton einen neuen Helden, der einige Klischees in sich vereinigt: ein schweigsamer Mann, dessen moralische Koordinaten davon bestimmt sind, dass er seine neunjährige Tochter wiedersehen und beschützen will, jemand, den kleine Hunde und sympathische Frauen mögen, und der offenbar nur durch Verrat ins Gefängnis kam. Ein "guter Mann in einer schlimmen Situation"? Eigentlich der Typ des einfallsreichen und geschickten Handwerkers, der das Handwerk des Tötens jedoch ebenso zuverlässig ausübt wie er seine selbstgemachten Regeln über Bord wirft, wenn es nicht anders geht. Was diese Figur zudem interessant macht, ist seine Verortung in der Stadt Chicago: Durch seine Bewegungen gewinnt der Raum ein hochinteressantes Eigenleben und wird zum scheinbar unausweichlichen Schicksal:
"Fünf Jahre danach war Nick Mason wieder am Hafen…In dieser Stadt, die noch nie viel Make-up aufgelegt hatte, war das die ungeschminkteste, rauheste Landschaft. Überall nichts als Schmutz und Stahl. An der einen Uferseite türmte sich ein riesiger Autofriedhof auf, als hätten die Vorbeifahrenden Schiffe ihren Schrott einfach dort abgekippt wie Müll an den Straßenrand. Hier ist es passiert, dachte Mason. Hier hast du dein Leben gegen die Wand gefahren."
Bürgerliche Fassade
Die Auftragsmorde bieten zugleich die Chance, an den Ausgangspunkt zurückzukehren, als Mason seine bürgerliche Fassade und, mehr als das, die Familie als seinen einzigen Halt verlor. Da Polizeikorruption im großen Umfang mit im Spiel ist, verknüpfen sich Nick Masons Aktionen sehr spannend mit den Angelegenheiten der Stadt selbst. Das luxuriöse Ambiente, das ihm sein Auftraggeber in Chicagos schickem Norden ermöglicht, bleibt ein goldener Käfig und die rauhe South Side sein einziges, echtes Zuhause:
"Das alles war hier, das alles war mit Chicago verbunden. Die Straßen und Gassen dieser Stadt zogen sich durch ihn hindurch wie die Adern seines Körpers."
Doch das ist einstweilen verloren, und Masons Pakt muss eingehalten werden. Auch die gut gezeichneten Figuren des ehrlichen Polizisten Sandoval, dem seine Freilassung ein Dorn im Auge ist, oder die des undurchsichtigen Quintero, der ihm die Aufträge übermittelt, passen in den komplexen Plot und fügen sich in Nick Masons Spiel mit dem Teufel bestens ein. Ein gelungener Start eines gebrochenen Helden, dessen Dilemma sicher noch für einige Folgebände gut ist.
(Lore Kleinert)
Steve Hamilton, *1961 in Detroit, mehrfach ausgezeichneter amerikanischer Autor zahlreicher Romane, lebt nahe New York
Steve Hamilton "Das zweite Leben des Nick Mason"
"The Second Life of Nick Mason" übersetzt von Katrin Diemerling
Thriller, Droemer Taschenbuch 2017, 336 Seiten, 14,99 Euro
eBook 12,99 Euro