Joe Ide
IQ
Isaiah Quintabe ist Privatermittler ohne Lizenz, der mit beträchtlichem Geschick dafür sorgt, dass Probleme seiner Nachbarn im schwarzbunten Gangsta-Viertel von Los Angeles aus dem Weg geräumt werden.
Geniales Talent
Seine Initialen sind Programm, denn der junge, unauffällige Mann, wie sein Schöpfer asiatischer Herkunft, ist hochintelligent, hat Bildung und geniales Talent, aus Beobachtungen die richtigen Schlüsse zu ziehen und verborgene Dinge wiederzufinden, auch wenn er sich schon mal als "blöden arschgesichtigen Einsteinmuthafucka" beschimpfen lassen muss.
Diplomatisches Geschick
Gerade als sein Geld knapp wird, tritt ein alter Freund wieder in sein Leben, Dodson, ein kleiner Gangster und ehemaliger Drogendealer:
"Glotz mich nicht so an. Wenn ich nicht wäre, würde das Geld gar nicht auf dem Tisch liegen und ich will dir nicht verschweigen, dass der Deal nur dank meiner unermüdlichen Bemühungen, meiner Geschäftstüchtigkeit und in keinem geringen Maße auch meinem Geschick im Umgang mit Menschen zustande gekommen ist und ich erwarte, dafür entsprechend entschädigt zu werden… Hier braucht man diplomatisches Geschick, Raffinesse und kaufmännisches Talent, Fähigkeiten, die dir griesgrämigem Penner traurigerweise völlig abgehen."
Anders als Sherlock Holmes‘ Watson ist Dodson großmäulig, frech und verlogen, aber er weiß genau, dass er ohne I.Q.‘s Genialität längst wieder im Knast wäre und den Mordanschlag auf den schwarzen Rapper Cal ‚Black the Knife‘ Wright kaum allein aufklären könnte. Beide zusammen machen sich auf die Suche nach dem Killer, dessen erster Anschlag mittels eines riesigen Kampfhundes knapp fehlschlug.
Große Vorbilder
Der Autor Joe Ide kennt die Problemzonen der Ghettos von South Central L.A. aus erster Hand und weiß um die Schwierigkeiten, die Drogen- und Gangsterkriege in den Gemeinschaften der Schwarzen, Asiaten und Hispanics anrichten, und sein erster Roman erlaubt den Lesern einen tiefen Einblick in diese Szene. Mit seinem Männerpaar macht er zwar eine Verbeugung vor den großen Vorbildern, vor allem Conan Doyles Sherlock Holmes, ist aber bei weitem witziger und beschreibt L.A’s dunkle Ecken, die dumpf und neureich agierende Rapperszene und die Machospielchen rivalisierender Gangs mit großartigem Stilgefühl (kongeniale Übersetzerin ist Conni Lösch) und viel Sinn für die skurrilen Seiten, die das Leben hier eben auch hat. Außerdem blendet er in einer Parallelhandlung immer wieder zurück in die Zeit vor sieben Jahren, als die beiden sich die Wohnung teilten, nachdem Isaiahs großer und sehr geliebter Bruder Marcus von einem anonymen Autofahrer totgefahren wurde.
Verfeindete Gangs
Damals raubten sie mit Geschick und Glück die Geschäfte der Reichen aus, bis zum bösen Ende, das im blutigen Gemetzel verfeindeter Gangs seinen Höhepunkt fand. Isaiah fand durch diesen Schock zur Moral, die sein Bruder ihm eingetrichtert hatte, zurück:
"Isaiahs Gewissen durchbrach die Mauer seines Nichtwahrhabenwollens wie der Rammbock, mit dem sie eingebrochen waren, und Marcus stürmte durch die Öffnung. Isaiah wusste genau, was sein Bruder sagen würde und wie er es sagen würde…Was hast du getan? Was hast du angerichtet?! Das ist deine Schuld…Fang lieber an, dir Gedanken zu machen und überleg dir, wie du das wieder hinbekommst, sonst lass ich dir keine Ruhe, ich verfolge dich in deinen Träumen, jeden Tag und jede Nacht, bis ans Ende deines elenden Lebens."
In dieser Konstellation spielt Dodson auch den Part des Verführers, der I.Q. immer wieder zu Grenzübertretungen verlockt, und das macht das Verhältnis der beiden vielschichtig und offen für überraschende Wendungen. Beide zusammen sind ungewöhnlicher und unterhaltsamer als alle Krimihelden der vergangenen Jahre.
Des Bruders Hüter
I.Q. muss sich durch die aberwitzigsten Herausforderungen hindurchmanövrieren und will zugleich der Stimme des Bruders keinen Anlass zur Kritik bieten. Und so wird das Motiv, des Bruders Hüter zu sein, zum unterschwelligen Generalbass dieses sehr gelungenen Erstlings um einen faszinierenden Außenseiter, der sich bravourös, wenn auch nicht immer perfekt durchschlägt und am Ende statt mit einem zahmen Huhn mit einem jungen Pitbull zusammenwohnt.
(Lore Kleinert)
Joe Ide, aufgewachsen in Los Angeles/USA, japanisch-amerikanische Wurzeln, Lehrer, Manager, Drehbuchautor, arbeitete für eine NGO, lebt in Santa Monica.
Joe Ide "IQ"
"Unlicensed and Undaground" übersetzt aus dem amerikanischen Englisch von Conny Lösch
Thriller, Suhrkamp Taschenbuch 2016, 387 Seiten, 14,95 Euro
eBook 12,99 Euro