Chris Holm
So was von tot
Ein Geschäftsmodell der besonderen Art: Michael Hendricks bietet potentiellen Opfern von Auftragsmördern an, diese Killer zu beseitigen, für das Zehnfache der Summe, die sie dafür eingestrichen hätten.
Buße tun
FBI-Agentin Charlotte Thompson ist diesem "Geist", den niemand kennt, auf der Spur, doch auch das organisierte Verbrechen heuert einen Mörder an, weil Hendricks ihnen unangenehm ins Handwerk pfuscht.
Mit seiner besonderen Aufgabe will er zugleich Buße tun - ein amerikanischer Kriegsheld und Elitesoldat, der sein Handwerk des Tötens zu gut beherrschte: was er für sein Land im Geheimen sah und tat, traumatisierte ihn und als sich die Chance bot, für tot erklärt zu werden, ließ er sein Leben und seine Frau hinter sich.
"Bringt nichts, in der Wunde herumzubohren, sagte er sich. Du hast deine Wahl getroffen, jetzt leb damit. Das Problem war nur, dass er in einem versteckten, selbstmitleidigen Winkel seines Ichs nicht davon überzeugt war. Nicht davon überzeugt war, eine Wahl gehabt zu haben. Oder dass man so etwas 'leben' nennen konnte."
Schnelles Tempo
Als sich der Soziopath und Killer Engelmann auf seine Spur setzt, erhöht sich das ohnehin schnelle und gut getaktete Tempo dieses Thrillers, und Jäger und Gejagte wechseln immer wieder ihre Positionen, und auch der FBI-Agentin gelingt es, ihre zögernden Vorgesetzten von der Existenz ihres "Geistes" zu überzeugen. Chris Holm setzt seine zwiespältige Hauptfigur, die mit Hilfe des einzigen weiteren Überlebenden seiner Einheit stets gut plant und überlegt agiert, unerwarteten Angriffen aus und lässt ihn verwegene Haken schlagen, die in einem Kasino in Kansas wie in einem James-Bond-Film kulminieren.
Ungewöhnlicher Plot
Doch ohne Verluste kann sich Hendricks nicht aus der Schlinge ziehen.
"Er wünschte, er wäre an Lesters Stelle tot. Wünschte, der Mann, der seinem Freund das angetan hatte, hätte ihn im Pendleton’s erledigt – oder er wäre damals zusammen mit seiner Einheit in Afghanistan gestorben. Dann wäre es nie zu den furchtbaren Ereignissen der letzten drei Tage gekommen. Konnte er sterben? fragte er sich. Oder war er zu gut in dem, was er tat? Zu zäh? Oder zu verdammt stur?"
Am Ende gerät auch Michaels frühere Frau Evie ins Visier des bösartigeren Killers, und all sein Einfallsreichtum plus Sturheit und Zähigkeit sind gefordert. Chris Holm gewährt seiner Hauptfigur die Gnade der Plausibilität und der - wenn auch gesetzlosen - Moral, was bei einem so spannenden und ungewöhnlichen Plot nicht wenig ist. Ein Krimi, dessen Verfilmung sich US-Regisseure sicher nicht entgehen lassen!
(Lore Kleinert)
Chris Holm "So was von tot"
"The Killing Kind" aus dem Amerikanischen übersetzt von Karin Diemerling
Thriller, Knaur 2016, 320 Seiten, 9,99 Euro
eBook 9,99 Euro