Ross Thomas
Porkchoppers
Fünftausend Dollar treffen bei einem Mann ein, der sich als Nebenerwerbskiller ein Zubrot verdient. Sein Ziel ist der Gewerkschaftsführer Cubbins, dessen Wiederwahl erstmals fraglich ist, ein Mann, der aussieht, "als müsse er Präsident von irgendwas sein, möglicherweise von den Vereinigten Staaten, oder falls sein Kater nicht allzu schlimm war, von der ganzen Welt."
Schmutziger Wahlkampf
Dass er an der Spitze einer großen Industriegewerkschaft steht, hat einen Preis gekostet, denn er verzichtete auf seinen Lebenstraum, Schauspieler zu werden, und inzwischen säuft er exzessiv und muss sich mit seinem abstoßend hässlichen Gegenkandidaten Hanks herumschlagen. Ross Thomas blättert die entscheidenden Tage dieses schmutzigen Wahlkampfs auf, mit all den zynischen und käuflichen Akteuren, einem Gegenkandidaten, der zu ausufernden Wutanfällen neigt und einer Ehefrau, die mit Cubbins‘ persönlichem Assistenten schläft.
Die Zeit nutzen
Wie in all seinen großartigen Politthrillern erlebt man mit, was sie alle denken, fühlen, sehen und hören, mit Cubbins im Zentrum, einem Alkoholiker, der für all die Männer steht, die in dieser Zeit, zu Beginn der 70er Jahre an ihren Anteil an der Macht gekettet waren:
"Cubbins Verstand arbeitete schnell. Das konnte er immer noch ungefähr zwanzig Minuten pro Tag, wenn der Alkohol die Schmerzen betäubt hatte, aber nicht den Verstand. Manchmal sagte er sich, dass zwanzig Minuten alles seien, was jeder brauche. Die meisten Menschen denken nicht mal fünf Minuten täglich nach, also hast du, wenn du die Zeit wirklich ausnutzt, einen Vorsprung von einer Viertelstunde vor fast allen anderen."
Seitenwechsel
Mitzuverfolgen, wie er das macht, immer kurz vor dem Absturz und mit ebenso traumwandlerischer wie verzweifelter Eleganz, ist ein großes Vergnügen. Zumal kein schmutziger Trick, keine Intrige, ihn zu Fall zu bringen, ausgelassen wird und die Leser ja wissen, dass ein Mörder unterwegs ist. Die Gegenspieler sind allesamt in Thomas‘ lakonischer und glänzend übersetzter Sprache bissig und treffend gezeichnet: Der schwarze Gewerkschaftsfunktionär Harmes, der aus Eitelkeit und unterdrücktem Zorn die Seite wechselt, Penry, der Mann für die unangenehmen und teuer bezahlten Enthüllungen, Kensington, der maßlos fette Banker, für den Absahner Cubbins das kleinere Übel ist, und die ganze Entourage von Speichelleckern und nützlichen Idioten der Machterhaltung.
Eigene Logik
Wenn Cubbins‘ Sohn Kelly, der als Polizist "nicht gemein genug" war und an seinem ehrlichen Interesse an anderen Menschen scheiterte, seinem Vater uneigennützig helfen will, kann Cubbins das nur in der ihm eigenen Logik sehen:
"…er will derjenige sein, der im Leben anderer Menschen herumpfuscht…Das ist eine Art Macht, und es ist eine Möglichkeit, mehr davon zu bekommen, indem man Leuten einen Gefallen tut. Und sobald man davon probiert hat, will man ein bisschen mehr, und dann noch ein bisschen mehr, bis man eines Tages aufwacht und feststellt, dass man alles haben will."
Kenner der Macht
Wie die Gier auf dieses "alles" beschaffen ist und wohin sie führt, hat Ross Thomas in den 25 Romanen, die er nach seiner Zeit als Soldat, Korrespondent und Politikberater schrieb, immer wieder ausgelotet und ironisch entlarvt. Mit der Neuausgabe dieser Innenansicht US-amerikanischer Gewerkschaftspolitik hat der Verlag seinem großen Kenner der Macht in all ihren Masken zu seinem 90. Geburtstag besondere Ehre erwiesen. Und all die anderen fünfzehn Romane in neuer Übersetzung lohnen sich genauso!
(Lore Kleinert)
Ross Thomas *1926 in Oklahoma, Journalist, Wahlkampfberater und US- amerikanischer Autor, 1995 gestorben
Ross Thomas "Porkchoppers"
"The Porkchoppers" übersetzt von Jochen Stremmel
Thriller, Alexander Verlag 2016, 309 Seiten, 14,99 Euro
eBook 9,99 Euro