Horst Eckert
Wolfsspinne
"Die Wolfsspinne ist ein gnadenloser Jäger. Meister der Tarnung. Schlägt blitzschnell zu." Mit der 'Aktion Wolfsspinne' wollen Verfassungsschützer die Spuren verwischen, die auf ihre Verstrickung in den rechtsradikalen Untergrund verweisen würden.
Demo gegen Pegida
Horst Eckert verknüpft die Geschichte von Ronny, der als verdeckter Ermittler zum festen Bestandteil dieser Szene wurde, mit dem Mord an einer Restaurantbesitzerin, die beste Beziehungen zur Düsseldorfer High Society hat. Sein schon aus zwei Bänden bekannter Hauptkommissar Vincent Che Veih stößt bei seinen Ermittlungen auf Verbindungen zum Handel mit Cristal Meth und erkennt dabei seinen entfernten und fast vergessenen Cousin Ronny wieder, der in der DDR aufwuchs. Zu allem Überfluss wollen einige seiner Chefs ihm gewalttätiges Verhalten auf einer Demonstration gegen Pegida anhängen, obwohl Veih selbst angegriffen und verletzt wurde.
Sympathischer Held
Veih, dessen Mutter als RAF-Terroristin verurteilt war und der er den ungeliebten Namen Che verdankt, hat es nicht leicht – mit ihm hat Horst Eckert einen sympathischen und widersprüchlichen Helden erschaffen, dessen Sicht des Polizeialltags oft nicht eben schmeichelhaft ausfällt:
"Die Polizei wird von Karrieristen geleitet, die man so lange befördert, bis ihre Unfähigkeit augenfällig wird. Bei jedem Regierungswechsel erfinden Ministerialbeamte das Rad neu und strukturieren den Laden um. Längst sind wir mehr mit der Dokumentation unseres Tuns beschäftigt als mit eigentlicher Polizeiarbeit. Und weil der Papierkram verwaltet werden muss, bläht man den Wasserkopf immer weiter auf – zulasten der Kommissariate."
Rechtsextreme Szene
So spannend wie die 'Mühen der Ebenen' (Brecht), mit denen sich der Hauptkommissar im Privaten ebenso wie in seiner Behörde herumschlagen muss, ist der Weg von Ronny, der im erneuten Auftrag seines Chefs das Vertrauen der rechtsextremen Szene erwerben und festigen muss und durch den Kontakt mit Veih immer stärker in Gefahr gerät. Die Rückblenden in die Zeit, als eine mörderische Nazibande Ausländer erschoss, knüpfen an die Lücken in den damaligen Ermittlungen an: War es wirklich Selbstmord, durch den die beiden Männer im Wohnwagen zu Tode kamen? Welche Rolle spielte die Frau im Gefängnis, der der Prozess gemacht wird? Und wie weit reichen die Netze dieses nationalsozialistischen Untergrunds wirklich?
Schweigen als Lebensversicherung
In Horst Eckerts Version "Wolfsspinne" sind zwar die Namen der Beteiligten verändert, aber mit der Figur des Ronny, der Liese, die dritte Terroristin, insgeheim schützt, schafft er eine ebenso plausible wie bedrohliche Versuchsanordnung:
"Denk immer daran, dein Schweigen ist deine Lebensversicherung, verstehst du das?" "Mein Schweigen." "Für alle Zeit. Egal, was irgendwer die bietet. Lügenpresse oder so. Womöglich werden Max und Gerri als die alleinigen Mörder gelten, und du kommst mit ein paar Jahren Knast davon, wenn überhaupt. Auf jeden Fall aber mit dem Leben, Liese."
Wer den langen Prozess gegen die beharrlich schweigende Komplizin der beiden Uwes verfolgt und die zahlreichen Ungereimtheiten der Ermittlungen nicht vergessen hat, wird von Horst Eckerts mit vielen aktuellen Details angereichertem Politthriller in den Bann gezogen, und das umso mehr, als alle Personen höchst lebendig und mit Tiefenschärfe gezeichnet sind. Besonders in die Neonaziszene erhält man wichtige Einblicke und erschreckt gleichermaßen über Komplizenschaft und Naivität.
Rechte Gewalt
Am Ende listet Eckert die Namen all der Menschen auf, die seit der Wiedervereinigung durch rechte Gewalt ums Leben kamen - im 2015 stiegen rechtsextrem motivierte Gewalttaten um 60 % gegenüber dem Vorjahr an. Man kann "Wolfsspinne" mit Gewinn lesen, ohne die beiden ebenso gut recherchierten Vorgängerbände zu kennen – aber sie dann auch kennenzulernen, lohnt sich!
(Lore Kleinert)
Horst Eckert *1959 in Weiden/Oberpfalz, Fernsehjournalist, lebt als freier Autor in Düsseldorf
Horst Eckert "Wolfsspinne"
Thriller Wunderlich 2016, 496 Seiten, 19,95 Euro
eBook 16,99