Max Annas
Die Mauer
Gated Communities in Südafrika sollen jenen Schutz bieten, die Angst haben, um ihren Besitz, ihre Privilegien, Angst vor Einbrüchen und Morden, Verbrechen, die sie gemeinhin Schwarzen zuschreiben.
Unwirkliche Welt
Als Polizisten oder Hausangestellte kommen dunkelhäutige Menschen hier vor, doch als der Student Moses, dessen Auto eine Panne hat, nach Hilfe Ausschau hält, findet er sich in einer unwirklichen Welt wieder: Gegeneinander versetzte, sehr ähnliche Häuser zwischen Gärten und Mauern, von Kameras überwacht und Weißen in Security-Uniformen, die ihn, den jungen Schwarzen rasch als Fremdkörper ausmachen – und jagen.
"Der Sinn der Mauern und der elektrischen Drähte und der Überwachung war ja, dass niemand reinkommen konnte, der nicht drin sein sollte. All die Einbrecher und Strauchdiebe, die Armen und Benachteiligten, vor denen man sich halt schützte. Egal, wo man in Südafrika leben musste. Aber er wollte raus. Er war nicht freiwillig hierhergekommen."
Aberwitzige Jagd
Thembi und Nozipho haben sich in die Community eingeschlichen, um möglichst elegant und unauffällig zu stehlen, denn das Geld, das sie verdienen, reicht nicht aus. Eine tote Frau in der Kühltruhe und ihre Mörder, die ins Haus zurückkehren, zwingen das Paar, sich zu verstecken, und fast slapstickhaft sind die Szenen, in denen sie - in Schränken und schließlich der Kühltruhe - allein auf ihren akustischen Sinn zurückgeworfen sind. Zugleich haben sie bereits eine aberwitzige Jagd nach fremden Angreifern ausgelöst, in die auch Moses immer mehr verstrickt wird, und die Schwarzen in Südafrika wissen gut, dass die Weißen zuerst schießen, bevor sie fragen.
Schwarze Komik
Max Annas wechselt die Perspektiven zwischen den Flüchtenden, ihren Verfolgern und denen, die die Gated Community überwachen sollen und das Chaos beständig vergrößern.
"Hausfriedensbruch, Einbruch, versuchte Vergewaltigung, Diebstahl, Körperverletzung, noch etwas…? Warrant Officer Zolani Mafu schaute zur Seite. 'Schwere Körperverletzung', sagte Police Sergeant Yolanda Baker. Noch zusätzlich …'Wie kann jemand innerhalb kurzer Zeit so viele Straftaten begangen haben?' kam eine Stimme aus dem Off zurück. 'Ist der Flüchtige bewaffnet?' 'Das weiß niemand'. Mafu.
Die Gewalt, die sich in der kurzen Zeitspanne des Romans, allenfalls zwei Stunden aufbaut, lässt sich nicht mehr kontrollieren, und durch die Dramaturgie schneller Filmschnitte - Schuss und Gegenschuss - entsteht eine ungeheuer dichte Atmosphäre, die mitunter an die schwarze Komik Quentin Tarantinos erinnert.
Alltäglicher Rassismus
Der Autor, der in Köln geboren wurde, hat auch als Filmjournalist und Dokumentarfilmer gearbeitet und kennt Südafrika sehr gut, denn er lebt hier seit Jahren. Was sein Buch aber vor allem auszeichnet, ist die Nähe zu den Flüchtenden, für die der Weg aus dem Mauerpark für Reiche zum Labyrinth mit atemberaubenden Wendungen und Volten wird. Die Mauer, die die Community umgibt, wird zum Zeichen für Alltagsrassismus und Vorurteile in den Köpfen der Menschen, und man fiebert mit, ob sich Auswege finden lassen.
(Lore Kleinert)
Max Annas *1963 in Köln, Journalist und deutscher Schriftsteller, lebt in Berlin
Max Annas "Die Mauer"
Thriller, rororo 2016, 224 Seiten, 12 Euro
eBook 9,99 Euro
Weiterer Buchtipp zu Max Annas
Morduntersuchungskommission - Der Fall Daniela Nitschke