Zoë Beck
Die Lieferantin
"Ein gutes Konzept. Die Nation betäubte sich. Die Zeiten, in denen alle wach sein wollten, waren vorbei." 'TheSupplier' liefert über eine App im Dark Net genau das, was dafür nötig ist: Heroin-Angebote in Topqualität, hergestellt aus afghanischem Opium, mit Dosierungsanleitungen und Warnhinweisen.
Opfer der Drogen
Spatzenkleine, ferngesteuerte Drohnen überbringen den Stoff an die Kunden – eine sichere und lukrative Geschäftsidee, die den Neid der alteingesessenen Drogenhändler weckt. Wer die Lieferantin ist, findet Declan Boyce, aufstrebender und internetaffiner Sohn der übelsten Gangsterdynastie erst spät heraus, als schon allerhand schief gegangen ist. Wir als Leser wissen längst, dass Elliot Johnson, deren Bruder Opfer der Drogen wurde, mit dem Geld, das sie als Lieferantin macht, die Gegenwehr gegen den "Druxit“, die Antidrogenkampagne der Regierung finanziert:
"Wenn beim nächsten Referendum der Druxit beschlossen wurde, müssten die Abhängigen noch tiefer in den Untergrund gehen, um an Stoff zu kommen. Sie hätten kein Anrecht mehr auf Krankenversicherung, staatliche Unterstützung, jegliche Form von Beihilfen. Sie würden nicht nur krank und obdachlos sein, sondern auch ohne Papiere, weil sie sich die nicht mehr leisten konnten. Sie würden zu Nicht-Bürgern."
Kein Raum für Mitgefühl
Eine gewagte Konstruktion, die sich beim Lesen dieses Thrillers jedoch als tragfähig erweist, denn Zoë Becks kühle Heldin ist ebenso glaubwürdig wie die Gangster, die im Kampf um Marktanteile ein Kopfgeld auf sie aussetzen und ihren Drogenbeschaffer umbringen. Außerdem spielt der Roman in einer nahen Zukunft: der Brexit liegt hinter den Briten, die Gesellschaft hat sich gerade so sehr zum Schlechteren verändert, wie man es befürchten musste, und der Raum für Mitgefühl und Kreativität ist eng geworden. Als es auch für Ellie Johnson eng wird, tut sie sich mit Mo zusammen, einer jungen Frau, die für sie arbeitet und zugleich auch Kundin ist. Mo ist bestens ausgebildet, doch ihre Haut ist schwarz, ihre weißen Eltern adoptierten sie, und sie wird zur Zielscheibe des Rassismus und der Aggression der "Rotweißblauen":
"…den Hass hatte sie schon früh zu spüren bekommen. Er begleitete sie ihr Leben lang. Vor zwanzig, vor zehn Jahren war er noch ein Raunen gewesen, mittlerweile schallte er von den Dächern. Wenn sie mit jemandem über den Hass sprach, war da immer dieses Wissen in ihr, dass die anderen nicht wirklich nachfühlen konnten, wie es ihr damit ging."
Rabenschwarze Komik
Elegant verknüpft Zoë Beck die unterschiedlichen Perspektiven auf ein härter und kälter gewordenes Großbritannien und die besondere Funktion der Drogen. Für die einen ein gutes Geschäft, die anderen Fluchtmöglichkeit, die dritten politisches Instrument, und indem die Autorin all das aufeinander hetzt, entfesselt sie eine großartige Dynamik. Der Kick: wir kennen die Positionen aller Mitspieler, erleben aber mit, was passieren kann, wenn der routinierte Ablauf aus dem Ruder läuft. Und die Leiche im Keller bzw. unterm Beton sorgt für den Sidekick rabenschwarzer Komik, der Zoë Beck ebenso gut gelungen ist wie der fein ziselierte und spannende Plot, die Erschaffung des durchweg klischeefreien Personals und vielseitig einsetzbarer kleiner Maschinchen. Zum Glück keine Science fiction, sondern ein kühler und gewagter Blick in eine sehr nahe Zukunft!
(Lore Kleinert)
Zoë Beck, *1975 in Ehringshausen im Lahn-Dill-Kreis, aufgewachsen in England und Deutschland, Schriftstellerin, Übersetzerin und Regisseurin, lebt in Berlin
Zoë Beck "Die Lieferantin"
Thriller, Suhrkamp Verlag 2017, 325 Seiten 14,95 Euro
eBook 12,99 Euro