Gene Kerrigan
In der Sackgasse
"Irgendjemand wird heute sterben. Irgendjemand anderes wird überleben", da ist sich Danny Callaghan sicher, nachdem ihn seine Vergangenheit eingeholt hat. Nicht so sehr die Jahre im Knast, nachdem er einen üblen Schläger und Ganoven in Selbstverteidigung erschlagen hatte.
Organisierte Gangs
Nein, Danny Callaghan, der für seinen Freund Novak als Fahrer arbeitet und sich von der kriminellen Szene Dublins fernhält, gerät ins Fadenkreuz organisierter Gangs, als er in Novaks Pub Blue Parrot spontan einem Mann hilft, der vor zwei Angreifern flüchtet.
"Das Problem mit dem ersten Schlag ist, dass man, wenn er nicht schnell und hart und präzise genug kommt, mit den Konsequenzen fertigwerden muss. Und die werden gemein und gefährlich sein. Jeder Kampf tut weh, auch der, den man gewinnt."
Kalter Taktiker
Als der Kleinkriminelle und Informant der Polizei dann doch ermordet wird, soll Danny ihn ersetzen – Lar Mackendrick, ein Gangsterboss, der selbst unter Druck eines Konkurrenten geraten ist, erpresst ihn. Gene Carrigan beschreibt diesen Mann ebenso knapp und lebendig wie alle anderen Akteure auch: als einen kalten Taktiker, der seine Frau liebt, vor keiner Brutalität zurückschreckt und sich strategische Winkelzüge aus der chinesischen "Kunst des Krieges" von Sunzi holt:
"Er opfert etwas, damit der Feind danach greift. Durch das Auslegen von Ködern lässt er ihn heranmarschieren. Dann erwartet er ihn mit einer ausgewählten Schar von Männern."
Hemmungslose Bereicherung
Der Mann, der Mackendrick aus Dublin vertreiben will, der Kopf einer benachbarten Gang, Frank Tucker, ist darauf aus, seine Geschäfte - Drogen Schutzgeld etc. - an sich zu reißen. Wie sich Irland im Zuge der hemmungslosen Bereicherung verändert, macht Detective Sergeant Bob Tidy, den man schon aus Kerrigans Roman "Die Wut" kennt, in einem hinreißend unterhaltsamen Wutausbruch über die Unfähigkeit der Polizeiadministration klar:
"Irland ist keine Insel der Heiligen und Gelehrten, Irland ist ein Land von Entrepreneuren. Jeder will Entrepreneur sein, inklusive der Drecksäcke, die den Drogenmarkt kontrollieren. Sie wissen, wie wichtig Marktanteile sind. Und da sie sich nicht an die Gerichte wenden können, um Fusionen und Geschäftsübernahmen zu erzwingen, nehmen sie dazu eben ihre Waffen."
Und Gangstern wie Mackendrick und Tucker geht es nicht nur ums Geld, sondern auch um ihre Bedeutung.
Jenseits der Moral
Gene Carrigan zeichnet ein spannendes Bild von einer Stadt, in der die Regeln des Anstands von Männern jenseits aller Moral außer Kraft gesetzt werden. Wer nicht mitspielt, wird erpresst, bedroht, verletzt oder getötet. Auch die ehemaligen Kämpfer des militanten irischen Widerstands sind Schachfiguren im Spiel um Geld und Macht geworden, auch wenn sie, wie Declan Roeper, die neue Ordnung verachten:
"Wir haben eine völlig neue Oberschicht. Solariumbräune und Plastiktitten. Angeberpartys mit kübelweise Glückspulver. Und du und deinesgleichen tun nichts lieber, als sich gegenseitig umzubringen für das Vorrecht, die zu bedienen."
Im Spiel der neuen Herren nach dem Bankencrash, als der Traum von der goldenen Zukunft ausgeträumt war, haben auch sie längst verloren, denn Korruption und Gewalt waren auch ihre Geschäftsgrundlage.
Spannendes Porträt
Mit Danny Callaghan hat der Roman einen Helden wider Willen, der die Sackgassen des Lebens gut kennt und sich doch den Sinn für Gerechtigkeit bewahrt hat, und Kerrigan malt mit treffender Sprache und großem Geschick für Timing und Atmosphäre die Folgen der Finanzkrise für die aus, die von der Gier auf Luxus und Drogen weit entfernt geblieben sind. Ihnen gilt sein Mitgefühl, und das schließt die hilflosen Polizisten durchaus mit ein. Declan Burke, selbst ein erfolgreicher irischer Krimiautor, beschreibt Kerrigan als einen "intelligenten, höflichen Mann, aber auch einen erbitterten Kritiker der Heuchelei der Mächtigen", und "In der Sackgasse" ist das spannende Portrait einer aus den Fugen geratenen Gesellschaft und ein bestens komponierter Kriminalroman.
(Lore Kleinert)
Gene Kerrigan irischer Journalist und Autor aus Dublin
Gene Kerrigan "In der Sackgasse"
Aus dem Englischen von Andrea Stumpf.
polar Verlag 2015, 312 Seiten, 14,90 Euro
eBook 9,99 Euro