Martin Cruz Smith
Die Spur des Bären
Ein Arkadi-Renko-Thriller
„Stell dich tot, oder du bist tot. Leg dich flach auf den Bauch, um deine inneren Organe zu schützen. Leg die Hände in den Nacken, um die Arterien im Hals zu schützen.“
Begegnung mit Bären
Dass Arkadi Renko einmal seinem Generalsvater dankbar für Ratschläge sein sollte, damit hatte er nicht gerechnet. Doch sie retten ihm das Leben, als ein riesiger Bär in der sibirischen Taiga noch hinter dem Baikalsee ihn angreift, ein „Veteran mit stechend braunen Augen“ und alten Narben kreuz und quer über seinem Schädel. Die freigelassenen Bären im Moskauer Zoo einige Tage zuvor wieder einzufangen, war dagegen ein Kinderspiel, und auf ein weiteres Treffen mit Bären ist Kommissar Arkadi Renko kaum eingestellt. Doch dann führt ihn ein Auftrag des Staatsanwalts Surin genau in die sibirische Stadt Irkutsk, wo seine Freundin und Investigativ-Journalistin Tatjana Petrowna über den Oligarchen Michail Kusnezow recherchiert, der fünf Jahre in sibirischen Gefängnissen gesessen hat, weil er Putin kritisierte. Und Eifersucht treibt ihn ebenso an, denn Tatjana kommt nicht wie verabredet zurück, reagiert nicht auf seine Anrufe und ihre Recherchen bringen sie in Gefahr.
„Ich will dich hier nicht haben. Mit deiner bloßen Anwesenheit bringst du dich selbst in Gefahr, mich und vor allem eine wichtige Story…Viele der Leute, über die ich schreibe, sind kriminell. Sie misstrauen mir bereits, und ich muss ihr Vertrauen gewinnen. Ein Ermittler aus Moskau – da sind sie sofort auf der Hut. Ich brauche Unabhängigkeit.“
Mörderische Intrigen
Eine schwierige Gemengelage, doch Renko, Ermittlerikone der Krimiszene, wäre nicht der ironische und tiefgründige Held, als den wir ihn seit „Gorki Park“ kennen, würde ihn das in diesem neunten Band von irgendetwas abhalten. Sibirien also, mit seinen um Öl und andere Rohstoffe konkurrierenden obszön reichen Oligarchen, die in Putin schon immer einen Neider und Feind hatten. Und wer der gefährlichere Gegner ist, der Mensch oder der Bär, wird sich im Laufe dieses intelligenten Thrillers über russische Gegenwart und ihre mörderischen Intrigen erst noch herausstellen. Gut jedenfalls, dass Renko den Burjaten Rintschin Bolot an seiner Seite hat, erst als Fahrer, Übersetzer und Jagdführer, und schließlich als Freund.
„Natürlich war er ein Schamane. In gewisser Weise hatte Arkadi so etwas schon von Beginn an vermutet. Bolot war zu sehr Naturgewalt, um lediglich ein Faktotum oder auch Unternehmer zu sein. Bolot war ein Eisberg mit funkelnden Oberflächen und verborgenen Tiefen, und wie ein Eisberg drehte er sich ab und zu und zeigte ein neues Gesicht.“
Und mit Bären und den Verletzungen, die sie einem Menschen zufügen können, kennt er sich ebenso aus wie mit sibirischen Krankenhäusern, die todbringender sein können als Bärenbisse. Martin Cruz Smith ist nach wie vor bestens vertraut mit der politischen Szene Russlands, all ihren Fallstricken und Grausamkeiten, einem Präsidenten, der inzwischen länger als Stalin regiert und dem nicht endenden Protest dagegen. Wer seine Romane um den auch literarisch gebildeten Russen Arkadi Renko noch nicht kennt, hat hier eine gute Gelegenheit, das zu ändern!
Arkadi lächelte plötzlich. „Wie schon Dostojewski sagte: ‚Richtig oder falsch, es ist sehr erfreulich, von Zeit zu Zeit etwas zu zerbrechen‘“.
(Lore Kleinert)
Martin Cruz Smith, *1942 in Philadelphia, US-amerikanischer Autor mit dem 9. Roman in seiner erfolgreichen Arkadi-Renko-Thriller-Reihe
Martin Cruz Smith „Die Spur des Bären“
Ein Arkadi-Renko-Thriller
aus dem Englischen von Rainer Schmidt
Bertelsmann Verlag 2021, 272 Seiten, 16 Euro
eBook 12,99 Euro