Christian Roux
Der Mann mit der Bombe
"Natürlich hatte Larry die Bombe nicht von Anfang an" – ein großartiger erster Satz, von dem aus Christian Roux die Ausgangssituation Larrys, des arbeitslosen Toningenieurs knapp und elegant aufbaut: der Mann stellt in all seinen Vorstellungsgesprächen fest, dass ihn keiner mehr braucht.
Nur eine Attrappe
Frau und Tochter sind weg, die Liebe ist aufgebraucht, sie hält der unerwartet drohenden Armut nicht stand. Die Bombe, eine selbst gebastelte Attrappe hilft ihm schließlich, auf Distanz zu den Demütigungen zu gehen.
"Ihm wurde bewusst, dass er selbst eine wandelnde Bombe war, vor deren Explosion all diese Leute, die seine Zukunft in ihren Händen hielten, Angst hatten – als könne ihr schlimmster Albtraum plötzlich Wirklichkeit werden. Mit einem durch diese Erkenntnis geschärften Blick fielen ihm auf einmal lauter Details auf, die sie auf ein menschliches Maß zurechtstutzten."
Roadmovie quer durch Frankreich
Als ihm klar wird, dass Müdigkeit und Einsamkeit seine einzigen ständigen Begleiter geworden sind, überschreitet Larry die 'rote Linie' und wird zum Mann mit der Bombe – und flüchtet bei einem Banküberfall zusammen mit der jungen Räuberin Lu, deren Gruppe ebenfalls die Bank stürmte. Ein erstaunliches Roadmovie quer durch Frankreich, in den Südwesten und zurück, nimmt seinen Lauf. Lu ist wild, unkontrolliert und zynisch, und ihre Energie verbindet sich mit Larrys Trauer um eine längst verlorene Liebe, an die ihn die junge Frau erinnert. Christian Roux vermeidet Klischees à la Bonnie & Clyde, und auch Larrys schwarze Haut spielt nur am Rande eine Rolle, denn sie war nicht der Grund für seinen Absturz aus der wohlsituierten Mittelschichtswelt.
"Das einzig Ungewöhnliche an diesem Lebensweg war die Hautfarbe seiner Eltern, Vielleicht war das Erstaunen darüber eine Art zu zeigen, dass man die Probleme von Minderheiten anerkannte…Der Erfolg war weiß, der Misserfolg schwarz. Aus der Nummer kam man einfach nicht raus."
Rasantes Spiel
In seinem kurzen, schnellen Roman zeichnet der Autor das Bild einer Gesellschaft, die aus den Fugen geht und den Menschen, denen der Boden unter den Füßen wegbricht, nichts mehr zu bieten hat. Larrys Sicht auf den Weg, den er einschlägt, bleibt ironisch und gelassen, und er verfolgt sein einziges Ziel, Frau und Tochter mit Geld zu versorgen, mit gewohnter Disziplin, während Lu von einem Kick zum nächsten taumeln möchte und Larry an ihrer kurzen, von Missbrauch bestimmten Geschichte teilhaben lässt - keine Liebesgeschichte, sondern eher ein trauriger Song.
Roux stattet die beiden mit Verletzlichkeit und dem bitteren Humor derer aus, die um ihre Verlorenheit wissen, und das macht ihre fulminante Fahrt, die immer wieder Hindernisse bereithält, umso spannender – ein rasantes Spiel mit dramatischem Ausgang und ein Blick auf eine Krise, die Frankreich mit Heuchelei und Kälte unterminiert.
(Lore Kleinert)
Christian Roux *1963 nahe Paris, er ist Schriftsteller, Autor und Komponist
Christian Roux "Der Mann mit der Bombe"
aus dem Französischen übersetzt von Cornelia Wend
Polar Verlag, 152 Seiten, 12.90 Euro
ebook 9.99 Euro