Fred Vargas
Der Zorn der Einsiedlerin
Mit Kommissar Adamsberg an der Spitze gleicht die Brigade des 13. Pariser Arrondissements wieder einem starken Schoner, der bei kräftigem Wind auf sein Ziel zusegelt – das hoffen die sechzehn Beamten jedenfalls.
Rätselhafte Todesfälle
Und gleich zu Beginn bringt der soeben aus Island zurückgekehrte Adamsberg, dessen vagabundierender Geist unverzichtbar ist, dann auch einen Frauenmörder bravourös und mit gewohntem Einfallsreichtum zur Strecke. Doch dann verbeißt er sich in rätselhafte Todesfälle alter Männer, bei denen das Gift der Einsiedlerspinne zum Einsatz kommt, und das stolze Schiff dümpelt immer wieder auf der Stelle, von Niederlage zu Niederlage.
Ungewöhnliche Verbrechen
Zwar ist rasch klar, dass nicht, wie die Sensationspresse mutmaßt, mutierte Spinnen ihr mörderisches Gift verspritzen, denn die knapp zwei Zentimeter große Einsiedlerspinne ist scheu und wenig aggressiv, und wir erfahren viel über die Besonderheiten dieser interessanten Achtbeiner. Immerhin ist Fred Vargas ausgebildete Mittelalterarchäologin und Archäozoologin und mischt auch in ihrem neuen Roman um Adamsbergs Brigade wieder ungewöhnliche Verbrechen mit Mythen und Märchen, kulinarischen Besonderheiten und vor allem profundem historischem Wissen um alles Abseitige, und gerade deshalb sind ihre nunmehr zehn Romane so aufregend.
"Doch ich will auf die Spinne zurückkommen. In der Vorstellung, stärker zu werden, indem man das Gift überwand und es fortan beherrschte, wurde die getötete Spinne zu einem Tier, das Glück brachte und beschützte. Man hat mit Spinnensud viele Krankheiten behandelt – manchmal hat man den Patienten die Spinnen direkt zu schlucken gegeben - ,speziell bei Fieberschüben, inneren Blutungen…Altersdemenz, Impotenz."
Bunte Truppe
Dass nur das Gift der Spinne den Weg zur Aufklärung weisen kann, steht für Adamsberg im Zentrum – und führt doch auf bewährt verschlungene Art immer wieder in die Irre. Nur langsam kommen der Kommissar und seine bunte Truppe aus höchst eigenwilligen Ermittlern einer Geschichte von Gewalt und Quälerei auf die Spur: eine Bande bösartiger Jungen verstümmelte in den vierziger Jahren mutwillig Kinder im Waisenhaus von La Misericorde in Nimes mittels dieses Spinnengifts, das menschliches Fleisch auflöst und in hoher Dosis rasch zum Tod führt. Akribische Ermittlungen ergeben, dass die ehemaligen Mitglieder der Einsiedlerspinnen-Bande nach und nach einem Rachefeldzug zum Opfer fallen, und dass sie auch als Erwachsene bösartig blieben und Frauen vergewaltigten.
Zonen der Angst
Haben die ehemaligen Opfer den Rachefeldzug angezettelt? Oder geht es um die Gewalttaten gegen Frauen? Und wer wird überleben? Adamsbergs muss – ähnlich wie Magellan auf seiner Suche nach dem Pazifik – eine neue, erfolgversprechende Passage finden, seine Mannschaft wieder zum Träumen ermutigen und seinen allwissenden Commandant Danglard aus den 'Zonen der Angst' reißen.
So skurril Vargas‘ Personal oft agiert und so märchenhaft intuitiv auch der Weg der Brigade mitunter erscheint, bleibt doch Gewalt, vor allem gegen Frauen, der harte und höchst gegenwärtige Kern ihrer großartigen Bücher.
(Lore Kleinert)
Fred Vargas (Pseudonym für Frédérique Audoin-Rouzeau), *1957 in Paris, französische Archäologin und sehr erfolgreiche Krimiautorin, lebt in Paris
Fred Vargas "Der Zorn der Einsiedlerin"
aus dem Französischen von Waltraud Schwarz
Kriminalroman, Limes München 2018, 523 Seiten, 23 Euro
eBook 18,99 Euro, Audio-CD 16,45 Euro