Amy Tan
Das Kurtisanenhaus
Amy Tan ist die Tochter chinesischer Auswanderer und mit "Töchter des Himmels" weltberühmt geworden. Auch im neuen Roman bestimmen die kulturellen Gegensätze zwischen China und Amerika die Handlung, und wieder sind es Frauen, die daran fast zerbrechen.
Vom Leben der Kurtisanen
Shanghai Anfang des 20. Jahrhunderts: Violet lebt mit ihrer Mutter, einer Amerikanerin, im "Verborgener Jadepfad", einem exklusiven Kurtisanenhaus. Hier verkehren angesehene Männer, die für die Liebeskünste junger, kultivierter Frauen viel Geld bezahlen. Die Mutter ist die Besitzerin und schenkt der Tochter wenig Aufmerksamkeit, den Freiern dafür umso mehr. Ihr Vater ist Chinese, den ihre Mutter nicht heiraten konnte. Mischehen waren damals undenkbar. Aber von all' diesen Dingen ahnt Violet nichts. Als neugierige Beobachterin geht sie durchs Haus, lauscht hier und lugt da, versteckt sich gern und erfährt auf ihren häuslichen Streifzügen schließlich auch vom Vater. Ein Schock.
Umbruch und Chaos
1912 erschüttern politische Unruhen China, der letzte Kaiser wird gestürzt, die Republik wird ausgerufen. Es herrscht Bürgerkrieg, in dem sich auch Violet und ihre Mutter verlieren, als sie nach Amerika flüchten wollen. Das reiche und verwöhnte Töchterchen, gerade erst vierzehn Jahre alt, wird an ein Kurtisanenhaus verkauft und muss sich strengen Regeln unterwerfen. Jungfrauen sind begehrt:
"Denke daran, dass die erste Woche am meisten einbringt. Danach bist du keine Jungfrau mehr. Das Interesse an dir lässt nach, die Geschenke werden weniger. Das ist bei jungen Schönheiten immer so. Sobald sie ihre Unerfahrenheit verkauft haben, will kein Mensch mehr, was von ihrer Unerfahrenheit noch übrig ist."
Kampf ins Leben
Violet kämpft sich ins Leben, an ihrer Seite eine treue Freundin, Kürbisnuss, ohne die sie es kaum geschafft hätte. Sie bekommt eine Tochter, die ihr weggenommen wird und die sie wiederfindet, sie trifft ihren Vater und schließlich – nach einem langen Briefwechsel - auch die Mutter, die glaubte, sie sei tot.
"Inzwischen hatten wir eine Beziehung zwischen zwei Erwachsenen aufgebaut, die mehr als eine Freundschaft war, aber weniger als das Verhältnis von Mutter und Tochter. Unsere Geständnisse und Erinnerungen setzten Vertrauen voraus, und während die Wörter zwar meistens ungehemmt aus der Feder flossen, wussten wir doch, dass wir uns hinter die Sicherheit eines Blatts Papier zurückziehen konnten."
Echter Schmöker
Ein üppig konstruiertes Familiendrama vor dem Hintergrund der sozialen Entwicklungen im China des 20. Jahrhunderts. Eine bittere Mutter-Tochter-Geschichte, eine Geschichte über gnadenlose Frauenverachtung und über außergewöhnliche Liebeskünste - das alles verknüpft Amy Tan in diesem Schmöker - mit 704 Seiten etwas sehr weitschweifig und mitunter langatmig. Dennoch: exotische Lektüre für graue Tage, schillernd, abenteuerlich und trotz mancher erzählerischer Langstrecken immer wieder fesselnd.
(Rita Oehme)
Amy Tan *1952 in Oakland/Kalifornien als Tochter chinesischer Auswanderer, amerikanische Schriftstellerin, lebt in San Francisco und New York
Amy Tan "Das Kurtisanenhaus"
übersetzt aus dem Amerikanischen von Elke Link
Goldmann 2014, 704 Seiten, 22.99 Euro
eBook 18.99 Euro