Imbolo Mbue
Das geträumte Land
Der große Traum vom besseren Leben – den will Jende Jonga sich und seiner Familie erfüllen, koste es was es wolle. Seine Kinder sollen es eines Tages besser haben, Bildung und Wohlstand genießen, fern von Elend und Korruption in Afrika. Und er hat Glück.
Hinter der Fassade
Ein leitender Manager bei Lehman Brothers, Clark Edwards, stellt ihn als Fahrer ein. Fortan verdient er nicht nur genug Geld, sondern wird auch so etwas wie ein Vertrauter der Familie. Denn er fährt nicht nur den Banker, sondern auch seine Kinder und seine Ehefrau durch die Gegend. Zur Loyalität verpflichtet, behält er all' die kleinen und großen Geheimnisse für sich, die er auf seinen Wegen durch New York aufschnappt, versteht zunehmend, wieviel Angst und Verzweiflung sich hinter der glamourösen Fassade dieser reichen amerikanischen Familie verbergen. Ungewollt bekommt er schließlich die sich anbahnende Krise bei Lehmans mit.
Traum vom Studieren
Irgendwann wird auch Jendes Frau Neni gebraucht, die um ihr Studium kämpft, Apothekerin werden will, sich als Altenpflegerin abrackert und schließlich einen Sommer lang im Ferienhaus der Edwards als Haushaltshilfe arbeitet. Die Kinder lieben sie und ihr afrikanisches Essen, das sie in unbekannte exotische Welten entführt. Zwei Familien, wie sie gegensätzlicher nicht sein können, sind auf ganz unterschiedliche Weise voneinander abhängig. Die eine lebt unter armseligen Umständen in Harlem, die andere im Luxus von Manhattans Upper East Side. Und dann kommt der Crash, der die eine in den Abgrund führt und die andere zurück ins armselige Dasein einer Immigrantenfamilie. Der Traum vom Glück ist dahin und mit ihm gehen noch ein paar andere Werte zu Bruch.
Abgründe der Verzweiflung
Imbolo Mbue ist selbst in Kamerun aufgewachsen, studierte in Amerika und verlor ihren Job während der Börsenkrise, weiß also, wovon sie spricht. Ihr Roman ist kein großer literarischer Wurf, aber sie erzählt leicht und heiter, emotional und anrührend, zeichnet ihre Figuren liebevoll und sympathisch, lotet die Abgründe der Tragödie aus und spürt menschliche Defizite ebenso auf, wie sie die zunehmende Gnadenlosigkeit der amerikanischen Leistungsgesellschaft analysiert. Nach zermürbendem Kampf um die Einbürgerung wird sie Jende und seiner Familie nämlich verweigert.
Rassismus siegt
Womit wir im Amerika des Donald Trump gelandet wären, allerdings spekuliert die Autorin nicht darauf, aktuelle Entwicklungen zu spiegeln. Sie ergeben sich fast von selbst, ebenso wie die Stereotypen, ohne die diese Geschichte bei aller Wahrhaftigkeit nicht auskommt und die durchaus der Wiedererkennbarkeit dienen. Ein Roman über die Illusion vom Glück, die trotz übermenschlicher Anstrengungen um Anpassung und Unterordnung, trotz Fleiß und Anständigkeit und Loyalität eben doch an Rassismus und Klassenkampf zerbricht. Das macht dieses Romandebüt trotz seiner Klischees spannend und lesenswert.
(Christiane Schwalbe)
Imbolo Mbue, *1982 in Kamerun, dort aufgewachsen, in den USA studiert, lebt in New York
Imbolo Mbue "Das geträumte Land"
"Behold the Dreamers" aus dem Amerikanischen Englisch von Maria Hummitzsch
Kiepenheuer & Witsch, 432 Seiten, 23 Euro
eBook 18,99 Euro