Teju Cole
Jeder Tag gehört dem Dieb
Mit seinem 2012 erschienenen Roman "Open City" wurde Teju Cole bekannt, er steht als Autor seitdem für den Spagat zwischen den Kulturen. Als Sohn nigerianischer Eltern in den USA geboren, wuchs er in Nigeria auf und kehrte mit 17 nach Amerika zurück, um dort zu studieren.
Macht der Eliten
"Jeder Tag gehört dem Dieb" ist sein Erstling, eigentlich ein Reise-Blog, geschrieben 2006, als er erstmals zurückkehrt nach Nigeria und die Hauptstadt Lagos in ihrer schockierenden Realität erlebt. Ohne Korruption geht hier gar nichts, Raubüberfälle sind an der Tagesordnung, ein Menschenleben ist nichts wert und die Reichen im Land beuten die Menschen aus, wo sie nur können. Bildung wird klein geschrieben,
"der Alphabetisierungsgrad in Nigeria ist niedrig, geschätzte siebenundfünfzig Prozent der Bevölkerung können lesen und schreiben."
Das stärkt die Macht der Eliten.
Lynchjustiz
Dem Leser stockt der Atem, als Cole die Geschichte eines elfjährigen Jungen erzählt, der eine Handtasche gestohlen hat und dafür erst nur geohrfeigt, dann aber mit Benzin übergossen und verbrannt wird. Lynchjustiz, aus sicherer Entfernung beobachtet von zwei Verkehrspolizisten und dicht umringt von einer gnadenlosen Menschenmenge:
"Plappernd und seufzend löst sich die Menge auf, für den Moment befriedigt. Der Mann senkt seine Kamera und verschwindet. Sogleich setzt sich der Verkehr rund um das verkohlte Bündel wieder in Bewegung. Es riecht nach Gummi, Fleisch und Abgasen."
Anarchie und Chaos
Der Buchtitel ist wörtlich zu nehmen, Teju Cole beschreibt einen Alltag der Anarchie und des Chaos, in dem nur die Stärksten überleben können, "hier ist das Leben, in all seinen stinkenden Details". Was er erlebt, überzeugt ihn davon, trotz seiner Sehnsucht nach diesem Zuhause hier niemals mehr leben zu können.
"Lagos ist zu einer Günstlingswirtschaft geworden. Geld, das je nach Kontext in größeren oder kleineren Beträgen fließt, ist ein soziales Schmiermittel. Es öffnet Türen und erhält dabei die Hierarchien."
Enttäuschte Hoffnungen
Beklemmende Reportagen, die vom mühseligen und gefährlichen Alltag der Menschen ebenso erzählen wie von der Nachlässigkeit der eigenen Geschichte gegenüber - schimmelnde Objekte im Nationalmuseum -, von einer abenteuerlichen Fahrt mit dem landesüblichen Minibus, von blockierten Straßen und Stromausfällen, von Angst und Resignation - Beschreibungen des desolaten Zustands eines Landes, das der Autor mit offenem Herzen besucht und zutiefst enttäuscht, aber auch wütend wieder verlassen hat. (Christiane Schwalbe)
Teju Cole *1975 in den USA, aufgewachsen in Nigeria, US-armerikanischer Schriftsteller, lebt in New York
Teju Cole "Jeder Tag gehört dem Dieb"
"Every Day Is For The Thief" übersetzt von Christine Richter-Nilsson
Hanser Berlin 2015, 176 Seiten, 18,90 Euro
eBook 14,99 Euro