Hans Adler
Das Städtchen
Der in Wien geborene Hans Adler war gelernter Jurist, beschäftigte sich aber schon früh mit der Literatur und schrieb satirische Verse, vor allem für den Simplicissimus, aber auch Operetten-Libretti. 1926 erschien sein einziger Roman "Das Städtchen". Er wurde 1947 erneut aufgelegt, dann aber genauso vergessen wie sein Autor, bis der kleine Lilienfeld Verlag aus Düsseldorf diesen literarischen Schatz jetzt hob und neu heraus brachte.
"Wohltuendes Bevormundetsein"
Wer Wiener Schmäh, poetische Sprache und ironische Eleganz liebt, wird schon nach wenigen Zeilen merken: Dieser kleine Roman hat ohne weiteres das Zeug zum Lieblingsbuch. Ein Provinzstädtchen und seine Bewohner werden hier porträtiert. Es beginnt mit einem nebligen Abend, und, so heißt es, "die wenigen friedsamen Passanten...tauschten mit dem Wachmann Gugurell einen freundlichen Gruß und hatten bei seinem Anblick eine deutlich betonte Empfindung von Sicherheit und wohltuendem Bevormundetsein." Ein Pinselstrich, und schon sind wir mittendrin in der guten alten k.u.k. Zeit.
Gier nach Leben und Scheitern in Würde
Im Mittelpunkt dieses Zeit- und Gesellschaftsporträts steht der verkrachte Zeichenlehrer Titus Quitek und sein alter Freund von Seylatz, der als Jungjurist ins Städtchen kommt, wo er die Beamtenschaft verstärken soll. Darum herum gruppieren sich weitere Bewohner: der Kneipenwirt Andreas Mauser, die kleine Waise Lisa, Oberbaurat Pomasl und seine Tochter Steffi, der Bürgermeister und die Sparkassendirektorswitwe, die jungen Leutnants, die Mädels im Etablissement der Frau Gießkann, der fette Tenor Milman, der Theaterdirektor Müller-Monti und seine bunte Truppe und viele mehr.
Filmreife Szenen
Sie alle werden liebevoll karikiert und bilden die gute (und weniger gute) Gesellschaft im Städtchen, wo jeder auf seine Weise versucht, die Gier nach Leben zu stillen oder doch wenigstens in Würde zu scheitern: ob im Amt oder in der Kneipe, in der Schule, beim Eislauf, im Theater oder im Bett. Hans Adler schildert unnachahmlich tragikomische Szenen und Episoden, jede für sich filmreif und so atmosphärisch, dass man als Leser das Gefühl hat, unmittelbar daran teilzunehmen.
Funkelnder Sprachwitz
Dieser köstliche kleine Roman funkelt vor elegant geschliffenem Sprachwitz, bissiger Gesellschaftskritik und melancholisch-bösem Humor. Von diesem sprachlichen wie literarischen Vergnügen kann man gar nicht genug kriegen, schade eigentlich, dass auch dieses Buch eine letzte Seite hat.
Es handelt sich übrigens, das muss erwähnt werden, um ein hübsches, kleinformatiges Halbleinenbändchen mit einem (biographischen) Nachwort, liebevoll ausgestattet, und damit auch der äußeren Form nach ein Vergnügen.
(Gabi von Alemann)
Hans Adler 1880-1957, Wien, Jurist und Schriftsteller
Hans Adler "Das Städtchen"
Lilienfeld Verlag 2009, 332 Seiten, 2. Auflage, 21,90 Euro
Taschenbuch dtv (1. August 2013) 9,90 Euro