Monique Schwitter
Eins im Andern
Beim Wettbewerb 2015 um den Ingeborg-Bachmann-Preis erntete sie zwar viel Lob und Beifall, aber keinen Preis, dafür schaffte es ihr Roman "Eins im Andern" bis in die Shortlist zum Deutschen Buchpreis: Monique Schwitter erzählt darin eine moderne Apostelgeschichte über Männer, die ihr eine Zeitlang folgten, aber nicht bei ihr blieben – oder sie nicht bei ihnen.
Die erste Liebe
Nichts Ungewöhnliches für eine Frau von vierzig Jahren, das Ende solcher Beziehungen ist erleichternd, manchmal schmerzhaft, auch kränkend. Und so trägt das Marienbildnis auf dem Cover denn auch ein kitschig strahlendes, gleichwohl blutendes Herz zur Schau – durchbohrt von einem Dolch. Aber das Bild täuscht. Dieses Buch ist alles andere als kitschig. Auch nicht religiös, wie man meinen könnte.
Die Ich-Erzählerin schreibt an einem Roman – und kommt nicht weiter. Also googlet sie einfach mal nach ihrer ersten Liebe, Petrus, und ist schockiert:
"Ich bin darauf vor bereitet, gar nichts zu finden und unbefriedigt abzubrechen, auch mit Hinweisen auf eine Frau und Kinder rechne ich … Sogar auf Fotos bin ich gefasst. Nicht aber darauf ...", dass Petrus sich vor vier Jahren aus einem Hochhaus gestürzt hat. Angekündigt hatte er es schon ganz früh: "Sobald ich kann, gehe ich. .. Wohin? Weg. Und da hatte er die Arme ausgebreitet und gelächelt.
Reigen von Erinnerungen
Und weil sie ebenso schockiert darüber ist, dass sie ihn so lange vergessen konnte, lässt sich die Ich-Erzählerin auf einen Reigen von Erinnerungen ein, der all' ihre Männer wieder ins Gedächtnis holt. Sie sucht nach Andreas, den Bruder von Petrus, dem beim gemeinsamen Urlaub eine Ratte in die Lippe biss, an Jakob, den Schauspieler, der sie bewundert, da ist sie schon Regisseurin am Theater. Von ihm wird sie schwanger und treibt ab. Mit Johannes liebt sie sich im achteckigen Jugendstilpissoir. Mit Philipp hat sie zwei Kinder, er ist immer noch ihr Ehemann, obwohl seine Spielschulden die Familie fast ruiniert haben.
Eins im Andern
Zwölf Episoden, die alle einen Teil ihres Lebens bestimmt haben, auch ihre Persönlichkeit, und Gefühle auslösten, mal mehr, mal weniger tief, immer unentrinnbar: "Die Liebe sucht man sich nicht aus, mein Herz" – dieser Satz ihrer Großmutter geht ihr nicht aus dem Kopf:
"Eins geht ins andere über, eine Liebe in die andere. Oder bleibt die Liebe immer dieselbe, bleibt sie sich treu? Ändern sich nur ihre Gefäße? Bietet sie sich einfach in einem Mann nach dem anderen dar, offenbart sie, die eine, einzige, wahre, sich einfach nur in verschiedenen Gestalten?"
Über Männer und Frauen
Die Autorin schreibt über eine Autorin, die einen Roman schreibt, das ist unverkennbar autobiografisch. Die Gegenwart wird dabei verknüpft und verzahnt mit Gedanken und Erinnerungen an die Vergangenheit, an heitere Geschichten über die Liebe, "Fetzen und Schnipsel", die sich "zusammenrotten, überlagern, aufbäumen" - Erfahrungen eines halben Lebens, nachvollziehbar und authentisch. Nicht alle Episoden sind gleich spannend erzählt, manchmal allzu konstruiert und ermüdend, meist aber schräg, witzig und melancholisch. Kein Frauenbuch für Männer und keins für Frauen, sondern ein Buch über Männer und Frauen, über das Leben und die Vergänglichkeit der Liebe.
(Christiane Schwalbe)
Monique Schwitter *1972 in Zürich, Schauspielerin und Schriftstellerin, lebt seit 2005 in Hamburg
Monique Schwitter "Eins im Andern"
Roman, Droschl Verlag 2015, 232 Seiten, 19,00 Euro
eBook 14,99 Euro