Silvia Bovenschen
Nur Mut
Vier wunderliche alte Frauen in einer weißen Villa – und eine junge. Sie ist aufsässig, von den Eltern zur Großmutter geschickt, strafversetzt sozusagen. Die vier Alten haben den größten Teil ihres Lebens hinter sich, ein für die eine mehr, für die andere weniger tragischer Gedanke. Schließlich leben die vier in einem durchaus luxuriösen Idyll.
Komfortable Alters-WG
Johanna ist eine zickige, Kette rauchende Schriftstellerin, die sich in der oberen Etage eingeigelt hat und an ihrem letzten Roman schreibt. Nur der letzte Satz fehlt noch. Charlotte organisiert als wohlhabende, ehemalige Professorin diese komfortable Alters-WG und hält sie zusammen. Nadine huldigt noch immer schriller Mode und hat gerade von schwerer Krankheit erfahren und die leise, traurige Leonie, früher Lehrerin, summt und murmelt vor sich hin. Sie hat Mann und Kinder bei einem Autounfall verloren.
Herrenbesuch
Die aufsässige Junge, über die man sich aufregen kann, ist sozusagen ablenkender Kontrapunkt der Altengesellschaft. Sie hat Herrenbesuch: von einem schüchternen Jüngling mit Zahnschmerzen, der sie erfolglos umwirbt. Sie spielt mit ihm, ohne ensthafte Hintergedanken.
Die anderen vier Frauen erwarten mit Kaffee und bester Torte ebenfalls Herrenbesuch, den Finanzberater. Insbesondere Charlotte ist deshalb außerordentlich nervös.
Ende im Chaos
Dieser Tag in der weißen Villa wird anders als alle anderen zuvor. Während drei Frauen auf das Geschehen im Nebenzimmer lauschen, wo Charlotte mit dem Finanzberater zunehmend lautstark verhandelt, lösen sich langsam Beherrschungen. Die drei Frauen, die im Salon in lebhaften Gesprächen direkt oder indirekt das eigene Leben reflektieren, holen sich aus der Küche, worauf sie Lust haben: Champagner, Rotwein und Torte. Die Haushälterin ist nach Hause geschickt worden.
Die Damen werden immer hemmungsloser, die gewohnte Ordnung gerät aus dem Takt und endet zusehends im Chaos. Als Charlotte nach heftigem Disput aus dem Nebenzimmer kommt, beginnt ein furioses Finale.
Leben und Tod
Bovenschen lässt die Geschichte von einem Drehbuchautor erzählen und spult fein verschachtelt Szene um Szene ab - in einer Art Countdown, wie sich am Ende herausstellen wird: verrückt, komisch und voller Ironie. Aber auch voller Philosophie und Weisheit, denn letztendlich geht es um Leben und Tod. Versucht man, ihm zu entfliehen oder schaut man ihm mutig ins Auge? Am Ende bleiben ein paar Fragen ohne Antwort - wie im wirklichen Leben.
(Christiane Schwalbe)
Silvia Bovenschen *1946 in Oberbayern, Literaturwissenschaftlerin, lebt in Berlin
Silvia Bovenschen "Nur Mut"
S. Fischer 2013, 160 Seiten, 16.99
Euro
eBook 14,99 Euro
Weiterer Buchtipp zu Silvia Bovenschen
"Wer weiß was" - Eine deutliche Mordgeschichte