David Garnett
Mann im Zoo
"Homo Sapiens, Mensch, männlich. Dieses in Schottland geborene Exemplar ist eine Schenkung des John Cromartie. Die Besucher werden gebeten, den Menschen nicht durch persönliche Bemerkungen zu reizen."
Aufgeblasener Affe
So steht es auf dem Schild vor dem Käfig des 27jährigen John Cromartie, der nach einem heftigen Streit mit seiner Geliebten Josephine die Konsequenz gezogen hat:
"Du bist Tarzan bei den Affen; du gehörst in den Zoo. Diese Sammlung hier ist nicht vollständig ohne Dich … aufgeblasener Affe."
Der so Beschimpfte ist wütend, stolz und störrisch und meint es bitterernst mit seinem Angebot, sich als Schauobjekt zur Verfügung zu stellen, wenn ihm denn Bücher erlaubt seien. An die Direktion des Londoner Zoos schreibt er:
"Sie beherbergen in Ihrem Zoo die gesamte Fauna des Erdballs, das heißt – fast, denn ein Säugetier von großer Bedeutung fehlt. … Ausgestellt in einem Käfig zwischen Orang-Utan und Schimpansen würde ein gewöhnliches Exemplar der menschlichen Rasse die Aufmerksamkeit aller erregen, die das Große Affenhaus betreten."
Mensch im Käfig
Und damit beginnt eine ganz und gar skurrile und höchst vergnügliche Geschichte um den Mann im Zoo, dem man zwar einen uneinsehbaren Schlafbereich zugesteht, der aber ansonsten im Käfig auf- und abläuft, sehr zum Vergnügen der zu Tausenden Schlange stehenden Zoobesucher, die "den Menschen" sehen wollen. Seine Nachbarn, Schimpanse und Orang Utan, zeigen ihm die Zähne – "sie sind verrückt vor Eifersucht", erklärt ihm der Tierpfleger, der ihn am liebsten wieder los wäre.
Persönliche Herausforderung
Cromartie erlebt nicht nur das eigene Eingesperrtsein als eine besonders herausfordernde und ihn verändernde Situation, er beginnt auch, sich in die ihn umgebenden Tiere einzufühlen, wenn er abends "Ausgang" hat und durch den menschenleeren Zoo spaziert. Er spürt, wie es den Tieren ergeht, wenn sie unfreiwillig und lebenslang hinter Gittern leben, "und ihm dämmerte, dass sie irgendwie verstanden hatten, dass er ausgestellt wurde wie sie selbst." Er aber könnte jederzeit freikommen. Die Londoner Salons, Medien und die Öffentlichkeit haben ein Thema, über das sich trefflich und unerschöpflich diskutieren lässt – ist es moralisch vertretbar, einen Menschen auszustellen? Natürlich wird auch Miss Josephine neugierig, besucht den mehr oder weniger ihretwegen im Käfig sitzenden Cromartie erst heimlich, dann ganz offen. Davor hat der Begaffte die meiste Angst.
Very british
Kurzweilig, unterhaltsam, very british und - bei aller Komik - zwischen den Zeilen immer wieder kritisch-philosophisch das (Eingesperrt)Sein von Mensch und Tier beleuchtend, ist dieser kleine Roman eine großartige Wiederentdeckung und eine ebenso wunderbare Lektüre. Mit einem dramatischen Zwischenspiel und einem überraschenden Ende.
(Christiane Schwalbe)
David Garnett, *1892 in Brighton/Südengland, war Schriftsteller, Buchhändler, Verleger und Kritiker, 1981 gestorben.
David Garnett "Mann im Zoo"
"A man in the Zoo" aus dem Englischen übersetzt von Maria Hummitzsch
Roman, Dörlemann Verlag 2017, 160 Seiten, 17 Euro
eBook 12,99 Euro