Connie Palmen
Du sagst es
Es lässt sie nicht los – das Thema Liebe und Leidenschaft und damit verbunden die Tragik des unerwarteten Todes. Connie Palmen schrieb zwei Bücher über zwei Männer, die sie leidenschaftlich geliebt und verloren hat ("I.M. Ischa Meijer" und "Logbuch eines unbarmherzigen Jahres"), schildert darin ihre abgrundtiefe Verzweiflung und Trauer, in die sie durch ihren Tod gestürzt ist.
Tiefe Leidenschaft
Diesmal widmet sie sich der tiefen Leidenschaft eines weltbekannten Paares: Ted Hughes und Sylvia Plath waren verheiratet, beide Schriftsteller, beide exzentrisch. Sie galten als das berühmteste Liebespaar der modernen Literatur. Der tragische Selbstmord von Sylvia stürzt ihren Mann in tiefe Mutlosigkeit. Erst recht, als Freunde ihm die Schuld für ihren Tod geben.
Zwischen Extremen
Es war eine Ehe, die sich zwischen Extremen bewegte, große Leidenschaft und totale Ablehnung, Eifersucht, Wut, Depression, krankhafter Ehrgeiz, Konkurrenz. Hughes war erfolgreich, bei Plath dauerte es, bis sie zu Ruhm und Ehren kam. Sie war exaltiert, launisch und quälerisch unsicher, er geduldig, zumindest eine lange Zeit, bis er sie betrog, mit den beiden Kindern allein ließ und sich neuer Liebe widmete, weil ihn die Ehe mit Sylvia Plath erschöpft hatte und er ihre Selbstzweifel und Versagensangst, ihre Eifersucht, Ruhelosigkeit und psychische Labilität gepaart mit ungeheuren Ehrgeiz nicht mehr abzufedern vermochte. Bis zu ihrem Tod veröffentlichte sie ein paar Gedichte und einen Roman, während er als Poet zunehmend erfolgreich war. Erst posthum wurde sie wirklich berühmt.
"Sie weinte jeden Tag, und das machte mich langsam, aber sicher ratlos. Wenn ich den nötigen Schwung aufbrachte, versuchte ich ihr zu helfen, befragte und diagnostizierte, zog Jung, Freud, die Kabbala, den Tierkreis und sämtliche Schöpfungsmythen der Welt heran, um zu verstehen, in welchem Irrgarten sie sich verlaufen hätte und wie ihre Dämonern hießen."
Lebenslanges Trauma
Connie Palmen ist in diesem Roman die Stimme von Ted Hughes, sie lässt ihn von rauschhaften Zeiten großer Verliebtheit und tiefen inneren Verständnisses erzählen, vom Glück gemeinsamer Arbeit und weiter Reisen, aber auch von der Anstrengung, mit der kapriziösen, nach totaler Perfektion suchenden Schriftstellerin zusammen zu leben, die stets von schwarzen Gedanken verfolgt wird, sich als junges Mädchen das Leben auf grausame Weise nehmen wollte, in der Psychiatrie landete und mit Elektroschocks behandelt wird und zeitlebens von diesem Trauma und der Sehnsucht nach bedingungsloer Liebe und Anerkennung verfolgt wird. Bis sie ihren Kopf in den Herd steckt und das Gas aufdreht.
Extreme Persönlichkeiten
Es ist das wechselvolle Leben zweier extremer Menschen, das Connie Palmen beschreibt und uns dabei tief in die Seelen dieser schillernden Persönlichkeiten blicken läßt, die irgendwann nicht mehr miteinander können, ohne einander aber auch nicht.
"An dem Tag, da ich ihr begegnete, lernte ich diese Kräfte kennen. Ich dachte , sie gehörten zu ihr, - meiner weißen Göttin, meiner zaghaften Muse – und ich könne sie gegen das Böse beschützen, aber ich begegnete in der Gestalt einer Frau meinen eigenen Dämonen."
Ideale Projektionsfläche
Und dabei wird wird klar: Ted Hughes ist nicht der Böse, der "Mörder". Seine Frau war auf Dauer einfach nicht zu bewahren vor ihre tragischen Sehnsucht nach dem Tod.
"Ich habe nie viel über meine Frau geredet. Solange sie lebte, schwieg ich, um sie vor den Missverständnissen und abgöttischen Vorurteilen meiner Freunde , nach ihrem Tod schwieg ich, um mich selbst vor den Missverständnissen und abgöttischen Vorurteilen ihrer Jünger zu schützen … Sowohl zu ihren Lebzeiten als auch nach ihrem Tod war sie die ideale Projektionsfläche für andere."
Connie Palmen hat diesem Paar ein berührendes Denkmal gesetzt - mit einem Roman, der getragen ist von Mitgefühl, Empathie und Verständnis und uns ein Leben vorführt, das von Höhen und Tiefen, niemals aber von Mittelmaß bestimmt war. Und längst ist nicht alles gesagt, denn im Archiv von Ted Hughes, der 1998 starb, befindet sich eine versiegelte Kiste, schreibt die Autorin im Nachwort. Die Kiste darf erst 2023 geöffnet werden.
(Christiane Schwalbe)
Connie Palmen *1955, niederländische Schriftstellerin, lebt in Amsterdam
Connie Palmen "Du sagst es"
Aus dem Niederländischen von Hanni Ehlers
Roman, Diogenes 2016, 279 Seiten, 22 Euro
eBook 18,99 Euro