Eveline Hasler
Tochter des Geldes
Mentona Moser – die reichste Revolutionärin Europas
Als Mentona Moser aus London zurückkehrt, wo sie Sozialarbeit studiert und in den Armensiedlungen der Stadt praktische Arbeit geleistet hat, muss sie ihre Mutter nach Rom begleiten, die die trüben Winterwochen nicht in der Schweiz verbringen will.
Macht des Geldes
Sie wohnen im besten Hotel der Stadt, Geld spielt schließlich keine Rolle, und die Mutter versucht ihrer Tochter die Flausen auszutreiben – nicht Sozialarbeit und Dienst an Armen und Kranken solle sie anstreben, sondern standesgemäße Vergnügungen und gesellschaftlichen Glanz. Vom Fotografen, der ein neues Porträt von ihr anfertigt, gefragt, ob sie von einem Prinzen träume, antwortet Mentona:
"Nein, ich träume von einer gerechteren Welt. ….
Geld hatte sie um die Freuden der Kindheit gebracht. Mutterliebe gab es nicht. Aufwachsen in einem leeren Schloss, ohne Gespielinnen, von einem Privatlehrer unterrichtet. Die Mutter hatte die Töchter in schlimmer Zeit ohne Unterstützung gelassen, Geld als Macht, als unmenschliches Druckmittel, Menschen fügsam zu machen."
Reiche Revolutionärin
Fanny und Mentona,Töchter eines wohlhabenden Uhrenfabrikanten, verloren ihren Vater früh, waren fortan der Herrschsucht ihrer Mutter und ihrem Geiz ausgeliefert, wann immer sich die beiden ihren Wünschen und Vorstellungen widersetzten, um ihr eigenes Leben zu führen. Die gerechtere Welt wird Mentonas Ziel bleiben, ein Leben lang. Die stets als "reichste Revolutionärin Europas" apostrophierte Schweizerin widmete sich verarmten Arbeiterfamilien, verschrieb sich sozialistischen Ideen und wurde schließlich Kommunistin
"Ihr Augenmerk richtete sich mehr und mehr auf die Arbeiterkinder, in den kasernenartigen Mietshäusern spielten sie wie damals in London in schmutzigen Hinterhöfen und in Straßenkot. Durfte das sein in diesem lichtvollen, reichen Zürich?"
Vaters Russland
Mit den Londoner Erfahrungen in die Schweiz zurückgekehrt, stürzte sie sich in die soziale Arbeit, plante Kinderspielplätze und Arbeitersiedlungen, kümmerte sich um Schulbildung und soziale Hilfen. Ihre Ehe mit einem Züricher Beamten scheiterte, sie musste ihren behinderten Sohn und eine Tochter allein aufziehen, geriet in soziale Not, wurde Gründungsmitglied der kommunistischen Partei der Schweiz. Ihre "gerechtere Welt" suchte sie nach der Oktoberrevolution schließlich in Russland, wo sie ein Kinderheim baute.
"Es war das Uhrenland ihres Vaters gewesen, als das riesige Reich noch nach dem alten Regime der Zaren tickte, Vater hatte sich Respekt verschafft mit seiner Moser-Uhr, von dem Zeitmesser am Handgelenk der begüterten Russen kam der große Geldregen. An diesem Geld würde Mentona eines Tages Anteil haben, es würde ihr helfen, die Welt ein bisschen besser zu machen, in diesem Sinn sollte ein Teil ihres Erbes zurückfließen in Vaters Russland."
Aber das Sehnsuchtsland erwies sich als Zerrbild, statt Sozialismus erlebte sie nach dem Tod von Lenin Terror und Diktatur Stalins. Unter der Last ihrer zahlreichen Projekte brach sie schließlich zusammen, erfuhr bittere menschliche und politische Enttäuschungen.
Aus der Vergessenheit geholt
Evelin Hasler entdeckte diese beeindruckende und außergewöhnliche Revolutionärin auf einer Reise mit dem Schweizerischen Schriftstellerverband in die DDR. Denn Mentona Moser, die in Berlin Lichtenberg begraben ist, lebte bis zu ihrem Tod in der DDR. Ihr Leben zu erzählen und Mentona Moser aus der Vergessenheit zu holen, ist ohne Frage ein großes Verdienst und liest sich spannend – mit der Einschränkung, dass die Autorin vor allem im letzten Drittel ihres Buches das wechselvolle und anstrengende Leben dieser faszinierenden Frau in allzu großen Schritten abhandelt – auf Kosten der Lebendigkeit und Genauigkeit vieler Figuren, die das Leben Mentona Mosers geprägt haben.
(Christiane Schwalbe)
Eveline Hasler, *1933 in Glarus/Schweiz, war Lehrerin,, Autorin von Kinder- und Jugendbüchern sowie Romanen, lebt im Tessin.
Eveline Hasler: "Tochter des Geldes"
Mentona Moser – die reichste Revolutionärin Europas
Nagel & Kimche 2019, 288 Seiten, 23 Euro
eBook 16,99 Euro