Gioconda Belli
Mondhitze
Mit ihrem Roman "Die bewohnte Frau" wurde die nicaraguanische Schriftstellerin Gioconda Belli schlagartig berühmt und avancierte zu einer Art Kultautorin. Verband sie doch in diesem Roman, geschrieben im Stil des für Lateinamerika typischen magischen Realismus, feministische und revolutionäre Bewegungen, beschrieb Konflikte und Niederlagen und die schwierige Rolle der Frau im Widerstand.
Soziale Spannungen
Gioconda Belli hatte sich am Widerstand der Sandinistischen Befreiungsfront gegen die Somoza-Diktatur beteiligt. Liebe, Protest und Rebellion – das war ein Stoff, aus dem sich spannende Geschichten schrieben ließen. Stets verknüpfte sie in ihren Romanen Feminismus und Liebe mit den sozialen Spannungen Lateinamerikas und dem Kampf um ihre Überwindung, denn "in Nicaragua ist es praktisch unmöglich, der Politik gegenüber gleichgültig zu sein."
Anzeichen des Alters
So auch in "Mondhitze". Die wohlhabende Emma, Ende vierzig, verheiratet mit einem vielbeschäftigten Arzt, ist mit dem Auto unterwegs. Ihr neues, großes Problem sind die Wechseljahre. Die Kinder sind aus dem Haus, sie hat Langeweile und Hitzewallungen und sorgt sich um Menopause und beginnende Anzeichen des Alters. Da läuft ihr ein junger Mann vor's Auto, sie kann nicht mehr ausweichen. Ernesto überlebt, schwer verletzt. Der Möbelschreiner, der im unterprivilegierten Viertel der Stadt lebt, wird mindestens drei Monate nicht arbeiten können.
Große Chance
Kein Problem in Emmas Kreisen. Von schlechtem Gewissen und Mitgefühl gepackt, verspricht sie Geld und Fürsorge und jegliche Unterstützung. Man ahnt es schon – aus Fürsorge wird Liebe, die Wechseljahre sind plötzlich die große Chance, sich neu zu erfinden:
"Ich hab das Gefühl, dass mein Leben nicht mir gehört hat, sondern ihm und den Kindern. Ich möchte die Freiheit erleben, nur an mich selbst zu denken."
Der Altersunterschied wird unwichtig, dem Feminismus sei Dank. Ihr Ehemann tröstet sich schnell, und weil Emma früher mal mit dem Medizinstudium begonnen, es aber der Familienplanung zuliebe aufgegeben hat, wächst sie in eine neue, soziale Aufgabe hinein, als eine Seuche im Viertel ausbricht. Alles wird gut.
Phrasen und Klischees
Gioconda Belli driftet in diesem Buch mehr noch als in früheren Romanen haarscharf am Kitsch vorbei, spickt das Ganze mit ein paar politischen Phrasen und lässt in diesem Roman kein Klischee aus, wenn es um Emanzipation, Frauenleben und die Suche nach sozialer Gerechtigkeit geht. Von magischer Erzählkunst ist nicht mehr viel übrig, im Gegenteil. Die Geschichte der verwöhnten und geläuterten Frau liest sich ziemlich hölzern.
(Christiane Schwalbe)
Gioconda Belli *1948 Managua, nicaraguanische Schriftstellerin und Lyrikerin
Gioconda Belli "Mondhitze"
Roman. Droemer 2016, 288 Seiten, 18 Euro
eBook 15,99 Euro