Josephine Rowe
Ein liebendes, treues Tier
"Das Leben ist sauber zerteilt mit dem Kriegsbeil, in ein Vorher und ein Nachher." Im Leben des australischen Vietnamveteranen Jack Burrough ist der Preis für das eine Jahr im Krieg ein endloses Elend.
Poetisch und farbenprächtig
Er hat den Krieg mitgebracht und ist ihn in den folgenden zwanzig Jahren niemals losgeworden,
"wie eine latente, krebsartige Erkrankung, die sich tief unten, auf der Ebene der Zellen, durch seinen Organismus fraß."
Was das für seine Frau Evelyn und die Töchter Lani und Ruby bedeutet, entwickelt Josephine Rowe, Jahrgang 1984, in ihrem Romanerstling mit poetischer Präzision, indem sie die Blickwinkel der Beteiligten zu einem farbenprächtigen Gewebe zusammenfügt. Alle Familienmitglieder kreisen um das Thema der Flucht, aus einer unerträglichen Situation, die mit der Heirat von Jack und Evelyn ihren Lauf nahm.
Ohne Gefühle
Gewalttätigkeit prägt diese Ehe einer verwöhnten höheren Tochter, die weder sich noch ihre Töchter wirklich schützen kann und dennoch immer wieder die Heimkehr des Mannes erzwingt, an dessen gute Seiten sie glaubt. Auf sein Toben reagiert sie mit stoischer Verkapselung aller Gefühle und hilfloser Fixierung auf die vergangene Kindheit.
"Jemand anderes hat sich ihr Leben geborgt und gurkt damit durch die Gegend, macht Strecke, wie man es mit einem geklauten Auto tut. Aber irgendwann ist Schluss damit. Irgendwann ist man zermürbt vom schlechten Gewissen. Keine Spritztour kann ewig dauern."
Ihre Schwester Estelle stützt sie, während die jüngere Tochter Ruby genau wie ihre Mutter in der Falle der Loyalität steckt. Mit ihr zusammen blickt sie einem Buschfeuer entgegen, das sie umbringen könnte – und doch verschont.
"Und auf einmal wird dir klar, dass ‘loyal‘ eine Art Schlinge war, die sich tief ins Fleisch schnürt wie eine Drahtfessel um die Knöchel…Bei späteren Auseinandersetzungen hob sich ihre Hand nicht mehr gegen dich, sondern zu ihrem eigenen Kopf und riss mit solcher Brutalität an ihren Haaren, als gehörten sie nicht zu ihr."
Jagd nach Männern
Josephine Rowe spielt mit dem Motiv der Geschwisterpaare, denn Jacks Bruder, der sich die Hände verstümmelt hat, um nicht in den Krieg ziehen zu müssen, ist ebenso auf subtile Weise mit ihm und seiner Familie verbunden wie auch die beiden Töchter miteinander. Lani, müde von der Jagd nach Drogen und Männern und voller Zorn flüchtet schließlich, um ihre elende Situation zu verlassen - bis ihr Zorn verbrannt und der Weg frei ist. Die intensivste Auseinandersetzung mit der Vererbbarkeit von Gelerntem, dem Nachwirken von Traumata führt schließlich die Jüngste, Ruby, denn
"das Heulen, dass von Zeit zu Zeit in dir aufsteigt, lässt sich nicht den Mund verbieten: "Die Schwanzspitze von etwas Fürchterlichem, das um die Ecke verschwindet. Was versteckt sich da? Was ist so schrecklich, dass Du nicht wagst, es anzusehen?"
Privileg des Reichtums
Josephine Rowes großes poetisches Talent macht es ihr möglich, die Spuren des Traumas in dieser Familie aufzuspüren und deutlich zu machen, warum man die Menschen, die man liebt, dennoch verfehlt. Was geschieht, wenn die eine Schwester die Privilegien des Reichtums genießen kann, während die andere davor flüchtet und einem jungen, verstörten Mann verfällt? Oder der eine Bruder in den Krieg zieht und der andere ein Leben lang in seinem Schatten verharrt? Ihr erster Roman fügt die Bruchstücke der jeweiligen Erinnerungen aneinander, wohl wissend, wie fragil dieses Gewebe ist, denn niemand ist davor gefeit, sich zu irren und die anderen zu verraten. Es kommt nur auf die Umstände an, und auch die tief verborgenen Geheimnisse hinterlassen Spuren. Dass sie hier aufmerksam und gnädig betrachtet und in erstaunliche Sprache verwandelt werden, ist eine große Qualität dieses kleinen Romans.
(Lore Kleinert)
Josephine Rowe, 1984 in Queensland, australische Schriftstellerin, lebt in Tasmanien
Josephine Rowe "Ein liebendes, treues Tier"
Roman, aus dem Englischen von Barbara Schaden
Liebeskind Verlag, 207 Seiten, 20 Euro
eBook 14,99 Euro