Yael Hedaya
Eden
Eden war früher ein Dorf mit Kühen und Hühnern, ein "Moschaw", eine eher ländliche Siedlung vor den Toren von Tel Aviv. Nun wohnen nur noch wenige ältere Leute und Bauern dort. Eden hat sich zu einem kleinen Paradies für wohlhabende Yuppies und junge Eltern gemausert.
Hier fühlt man sich einigermaßen sicher vor Selbstmordanschlägen, die Kinder spielen draußen, man hat sich schicke neue Häuser gebaut, ein arabischer Hausmeister kümmert sich um kleine Reparaturarbeiten, es gibt eine Trattoria mit italienischer Küche, die von Mark betrieben wird.
Schwierige Verhältnisse
Mark hat aus erster Ehe (mit der Amerikanerin Jane) seine älteste Tochter Ronny. Nach einer Kurz-Beziehung mit dem Jungautor Uri fängt die stürmische 16jährige ein Verhältnis mit Eli an, der täglich mit seinem Jeep in sein Tel Aviver Anwaltsbüro fährt, aber mit Ehefrau Dafna, einer Friedensaktivistin, die ebenfalls in Eden wohnt.
Ronnys Vater Mark lebt getrennt von seiner Frau Alona, mit der er zwei kleine Kinder hat. Alona ist Verlagslektorin und betreut unter anderem den jungen Autor Uri. Ihre Mutter Nechama lebt in der Nachbarschaft und fürchtet sich vor dem Alter...
Beziehungsgeschichten
Yael Hedaya (Jg. 1964) wurde in Jerusalem geboren, studierte in New York und lebt bei Tel Aviv. Nach ihren beiden großartigen Romanen "Liebe pur" (2001) und "Zusammenstöße" (2003) erscheint nun mit "Eden" ihr neuer Roman. Es ist eine Geschichte über die Bewältigung schwieriger Beziehungen, über ein knappes Dutzend Menschen aus der gebildeten, politisch eher links stehenden israelischen Mittelschicht.
Klassische Themen
Wie in einem Reigen wird eine eigentlich ganz einfache Geschichte erzählt, zusammengesetzt aus den klassischen Themen Geburt und Tod, Krise und Liebe, Erwachsenwerden und Altern. Ein Reigen aus großen ruhigen Schwüngen, jeweils wechselnd aus der Sicht der verschiedenen Personen, die ihre Gegenwart meistern müssen, aber auch Erinnerungen und eigene Erfahrungen reflektieren.
Trennung und Freundschaft
So leben Alona und Mark seit zwei Jahren getrennt, gehen aber in Freundschaft miteinander um und sind engagierte Eltern. Warum eigentlich haben sie sich getrennt? Mark möchte seine Frau zurückgewinnen.
Ganz anders Dafna und Eli: Dafna versucht seit Jahren vergeblich, schwanger zu werden und erträgt dafür die Torturen der modernen Reproduktionsmedizin. Eli nimmt sich gern mal eine Auszeit von diesen ermüdenden Prozeduren, als er die mitten im Pubertätswirrwarr steckende Ronny kennenlernt, die sich mit Hilfe heimlicher sexueller Abenteuer beweisen will, wie erwachsen sie ist.
Alltag voller Vorurteile
Die Lebens-Geschichten ihrer Personen verwebt Hedaya eng mit dem Alltag im kleinen Vorort, wo Dinge geschehen, die nun mal geschehen - in Israel genauso wie anderswo auf der Welt: ein Einbruch, ein Kindesmissbrauch, vergiftete Hunde. Wer kann das gewesen sein? Doch wohl nur die Palästinenser, urteilen die Dorfbewohner; es ist schwierig, sich vor einem Denken in solchen Vorurteilen zu schützen.
Aber Eden ist durchaus kein Dorf-Epos; es sind moderne, urbane, fortschrittlich denkende Menschen wie du und ich, die hier porträtiert werden. Es entwickelt sich leise, langsam eine untergründige Spannung, der man sich beim Lesen mit Genuss hingibt.
Ein plötzlicher Knall
Man hat sich im Laufe vieler Buchseiten so nah mit den Menschen in Eden vertraut gemacht, dass man ihnen gerne von Kapitel zu Kapitel, von einer Perspektive zur nächsten folgt. Ganz allmählich wird die junge Ronny zum Dreh- und Angelpunkt in der Geschichte - und dann gibt es einen unerwarteten Knall.
Hinreißender Schmöker
Yael Hedayas große Stärke ist ihre Klarheit und Glaubwürdigkeit. Es sind gewissermaßen nüchterne Gefühlslawinen, die sie auf ihre Leser zurollen lässt. Sie beobachtet sensibel und kann präzise beschreiben, was in Menschen vorgeht, die sich auf andere Menschen einlassen.
Einen besonderen Dank an die Übersetzerin Ruth Achlama, die diesen Roman aus dem Hebräischen in ein so lesenswertes Deutsch gebracht hat.
Eden ist mit seinen 930 Seiten ein bemerkenswert kluger Roman und gleichzeitig ein hinreißender Schmöker. Ich sag's mal so: Ein tolles Buch.
(Gabi von Alemann)
Yael Hedaya *1964 in Jerusalem, israelische Schriftstellerin, lebt in Tel Aviv
Yael Hedaya "Eden"
Roman, Diogenes Verlag 2008, Neuauflage detebe Taschenbuch 944 Seiten, 12,90 Euro
eBook 11,99 Euro