Denise Linke
Nicht normal, aber das richtig gut
Mein wunderbares Leben mit Autismus und ADHS
Erst mit 22 Jahren hat sie von ihrem Autismus erfahren, in Los Angeles, von einem WG-Kollegen, der selbst unter dem Asperger-Syndrom litt und in Denise Linke die Symptome wiedererkannte. Und seitdem waren merkwürdig unsoziale Verhaltensweisen, Ängste und Überempfindlichkeiten gegen Helligkeit und Lautstärke erklärbar.
Genetische Ursachen
"Es erklärte einfach alles. Es erklärte, warum ich mich mein ganzes Leben fehl am Platz gefühlt hatte. Nicht weil ich dachte, anders zu sein als die anderen. Sondern weil die anderen mir zu verstehen gaben, dass ich es war."
Denise Linke beginnt, sich intensiv mit dem Thema zu befassen, liest "dubiose Studien" und "schlecht recherchierte Artikel", die zu großen Teilen auf Vor- und Fehlurteilen beruhen. Denn, sagt die Autorin:
"Autismus ist ... keine Krankheit. Selbst wenn die Medien es noch so oft behaupten … Autismus hat genetische Ursachen."
Als Denise Linke nur wenige Jahre später erfährt, dass sie auch noch ADHS hat, erklärt sich endlich – unter anderem - ihre innere Rastlosigkeit, Aktivität und Getriebenheit:
"Mein Gehirn gleicht einem Freizeitpark, bei dem die Schalterhäuschen am Eingang nicht besetzt sind. Alle rennen ohne Kontrolle in den Park und wollen auch noch gleichzeitig aufs Riesenrad."
Unter "Normalos"
In diesem ungemein spannenden, lebendig und witzig erzählten Buch beschreibt Denise Linke ihr Leben – und es ist ein ziemlich anderes als das ihrer neurotypischen Mitmenschen, sprich: "Normalos". Es ist von dem ungemein starken Willen und großer Kraft geprägt, in eben dieser Gesellschaft der Nicht-Autisten zurecht zu kommen und Zeichen zu setzen, die den Umgang mit Menschen, die nicht der Norm entsprechen, auf eine solide Basis stellen. Denn die müssen nicht in Abgeschiedenheit leben und Sonderschulen besuchen. Ganz im Gegenteil.
Schwächen und Stärken
"Gelebte Inklusion" ist das Kapitel überschrieben, das uns "Neurotypen" und vor allem bildungspolitisch Verantwortlichen zu denken geben sollte. Denise Linke beschreibt ebenso humorvoll wie engagiert und – natürlich – sachkundig, dass es darum geht, Schwächen und Stärken gleichermaßen zu beachten:
"Das gemeinsame Gestalten, das Akzeptieren aller Menschen und Arten des Seins. Inklusion ist … das Wissen darum, dass wir alle verschieden und doch gleich wertvoll sind. Dass uns unsere Taten definieren, nicht unser Geschlecht, unsere Größe oder unser Kontostand."
Untypische Schwierigkeiten
Denise Linke hat sich nicht unterkriegen lassen und in dieser streng an neurotypischen Regeln orientierten Gesellschaft behauptet. Sie hat es geschafft, als anerkannte Journalistin zu arbeiten – mitunter mit völlig "normalen" Schwierigkeiten:
"Man muss kein Autist oder ADHSler sein, um in einem Großraumbüro nicht besonders gut arbeiten zu können. Selbst neurotypische Menschen tragen dort nicht selten Ohrstöpsel oder Kopfhörer, um sich immerhin halbwegs konzentrieren zu können."
N#mmer
Mithilfe von Crowdfunding und einer scheinbar grenzenlosen Energie gibt sie ihr eigenes Magazin heraus: "N#mmer" heißt es und
"gibt denen eine Stimme, die sich so oft nicht gehört fühlen, schafft Dialog und ist ein Gesicht für den Kampf um Anerkennung für eine Millionen Autisten in Deutschland und ihre Familien und mindestens genauso viele AD(H)Sler.
(Christiane Schwalbe)
Denise Linke "Nicht normal, aber das richtig gut"
Mein wunderbares Leben mit Autismus und ADHS
Berlin Verlag 2015, 208 Seiten, 20 Euro
eBook 15,99 Euro