Ahmad Mansour
Generation Allah
Warum wir im Kampf gegen religiösen Extremismus umdenken müssen
Ahmad Mansour, ein - nach eigenen Worten - "arabischer Israeli", ist als Berliner Psychologe und Berater seit über zehn Jahren mit den Biografien junger Menschen konfrontiert, die für einen extremen Islam gewonnen und radikalisiert werden und dann auswandern, um für den IS in Syrien zu kämpfen.
Eigene Radikalisierung
Eindrucksvoll beschreibt Mansour seine eigene Jugend in einem palästinenischen Dorf mit harter Arbeit, Angst vor Krieg, Einsamkeit und pubertärer Unsicherheit - bis der örtliche Imam ihn ansprach:
"Er versicherte mir, dass in mir das Potential zu etwas Größerem schlummere. Das klang wie eine Verheißung. Ich war an diesem Tag überglücklich, weil mir zum ersten Mal in meinem Leben eine solche Bestätigung zuteil wurde. Da glaubte jemand an mich. Zudem noch jemand, den mein Vater ablehnte."
Nachdem der Imam ihn für die Religion gewonnen hatte, wurden die Zügel immer enger gezogen, die Radikalisierung nahm zu: "Wo man zunächst das Beten gelernt hat, wird einem bald Ideologie eingetrichtert" - aber auch seine Anerkennung in der Gruppe wuchs und damit eine gemeinsame Mission....
Salafistische Sozialarbeiter
Auch in Deutschland arbeiten salafistische Imame mit solchen perfiden Rattenfänger-Methoden, die zunächst vorsichtig die Unsicherheit der Jugendlichen ausnutzen, die sie dann verstärken, um neue salafistisch geprägte Anhänger zu gewinnen, die dann radikalisiert und fanatisiert werden, um sie für den IS zu rekrutieren.
"Die Salafisten warten nicht, dass die Jugendlichen in die Moscheen kommen, sie sind aktiv, sie missionieren leidenschaftlich. Sie warten da, wo die Jugendlichen mit ihrem Alltag nichts anfangen können, sie warten vor dem Kasino, wo die Jugendlichen ihren letzten Euro verspielen. Sie warten vor den Schulen, wo die Jugendlichen ihre Abschlüsse nicht schaffen und keine Ausbildung finden. Sie machen Angebote, die ankommen. Und das ist hochgefährlich ....Salafisten sind die besseren Sozialarbeiter."
Die schläfrige Mehrheit
Mansour appelliert an die Politik, endlich aufzuwachen und aktiv und langfristig wirksam etwas gegen die zunehmende Radikaliserung zu unternehmen,
"um der Generation, die ich als 'Generation Allah' bezeichne, Alternativen anzubieten. Wenn die einzigen, die laut sind, die Rechtsradikalen und die Islamisten sind, dann haben wir als Zivilgesellschaft versagt."
Dazu stellt er aus seiner sozialpädagogischen Praxis heraus einen Zehn-Punkte-Forderungskatalog für eine Präventionspolitik auf – u.a. die Förderung von Best-Practice-Projekten, konfessionsübergreifenden Ethik- und Religionsunterricht, 'coole' Webseiten im Internet, die sich an die gefährdeten Zielgruppen richten, und interkulturelle Weiterbildung von Lehrern.
"Eine schläfrige Mehrheit ignoriert, wie eine wachsende Minderheit sich verändert" - deshalb ist angesichts zunehmender Radikalisierung und Terrorgefahr zwar Dringlichkeit angesagt, aber kein blinder Aktionismus. Mansour zeigt konkrete Lösungsansätze und Möglichkeiten ihrer Umsetzung auf.
(Peter Ehrenfried)
Ahmad Mansour *1976 in Tira/Israel als Sohn palästinensischer Eltern, Psychologe und Autor, lebt seit 2004 in Berlin
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Ahmad Mansour "Generation Allah"
Warum wir im Kampf gegen religiösen Extremismus umdenken müssen
S. Fischer Verlag 2015, 272 Seiten, 19,99 Euro
eBook 17,99 Euro