Hamed Abdel-Samad
Der islamische Faschismus
Eine Analyse
Der deutsch-ägyptische Politologe und Publizist will erklärtermaßen keine neue Faschismustheorie liefern, sondern auf bislang nicht beachtete Zusammenhänge aufmerksam machen. Weshalb er sein Buch als "Weckruf" verstanden wissen möchte.
Unbehagen
Provokante Thesen - das werfen ihm prominente Islamwissenschaftler vor - greifen oft zu kurz und schüren Vorurteile eher statt zum Verständnis einer fremden Kultur und Religion beizutragen – insbesondere seit 9/11, dem Anschlag auf das World Trade Center in New York.
Aber wer liest schon den Koran oder setzt sich mit der Geschichte des Faschismus intensiv auseinander, wenn er die Angelegenheit in prägnanter Kurzform präsentiert bekommt.
Prägnante Kurzform
Vieles in diesem Buch klingt einleuchtend: Der Islam hat sich schon immer abgeschottet gegen den Rest der Welt – bereits zu Zeiten der Erfindung des Buchdrucks. Das gedruckte Wort hätte allen Menschen Wissen und damit Macht in die Hand gegeben, nicht nur der religiösen Elite. Also galt es als Gefahr. Das Internet indes, heute ähnlich revolutionär wie damals der Buchdruck, lässt sich nicht so einfach ausblenden.
Heilsversprechen
Die Muslimbruderschaft hat - so Abdel-Samad weiter - in Ägypten äußerst geschickt ihre wahren Ziele verborgen und damit die Wahlen in Ägypten gewonnen. Verschleierung radikaler Absichten ist ein Grundprinzip des politischen Islam. Seine Heilsversprechen verhindern wirkliche Demokratie, weil sie Gott über alles stellen und die Welt ausschließlich in Gläubige und Ungläubige aufteilen. Letztere gilt es zu vernichten.
Orientierungslose Jugendliche aller Nationalitäten finden Halt in einer Religion, die das Paradies verspricht. Gerade in den Salafisten sieht der Autor deshalb eine große Gefahr, weil sie unzufriedene und/oder arbeitslose Jugendliche für den Islam rekrutieren, ihnen Anerkennung vermitteln, Handlungsperspektiven und Selbstwertgefühl geben, ohne ihre wirklichen (radikalen) Ziele zu nennen.
Abgrenzung der Muslime
Abdel-Samad betont immer wieder: Muslime sind mehrheitlich gläubige, friedliche Menschen, aber sie sind passiv und setzen der aktiven, fundamentalistischen Minderheit nichts entgegen. In diesen islamischen Fundamentalisten sieht er eine Gefahr, vor ihnen warnt Abdel-Samad und zu ihrer Charakterisierung verwendet er den Begriff "Faschismus". Der Autor war als Student selbst Muslimbruder. Nach seinem Vorwurf, die Muslimbruderschaft sei faschistisch, wurde eine Fatwa gegen ihn ausgesprochen.
Ratlosigkeit
Er nennt viele Fakten, beschreibt die strenge Hierarchie im Islam, die Indoktrination, die demütigende Behandlung von Frauen und verweist auf die mittelalterliche Methoden der Scharia. Dennoch bleibt eine gewisse Ratlosigkeit, weil in diesem Buch viel Zündstoff steckt, aber zu wenig Analyse, um der Komplexität des Themas gerecht zu werden. Allerdings liefern Provokationen auch wichtige Anregungen zu einer weiterführenden Diskussion, die hierzulande zu wenig und häufig allzu emotional geführt wird. (Peter Ehrenfried)
Hamed Abdel-Samad *1972 bei Kairo als Sohn eines Imam, Politikwissenschaftler und Autor, seit 1995 in Deutschland, lebt seit einer Fatwa (Morddrohung von Islamwissenschaftlern 2013) unter Polizeischutz
Hamed Abdel-Samad "Der islamische Faschismus"
Eine Analyse
Droemer 2014, 224 Seiten, 18 Euro
eBook 15,99 Euro
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