Herbert Renz-Polster
Erziehung prägt Gesinnung
Wie der weltweite Rechtsdruck entstehen konnte - und wie wir ihn aufhalten können
"Erziehung prägt Gesinnung" beleuchtet den Zusammenhang zwischen belasteter Kindheit, sozialer Ungleichheit und Autoritarismus und erklärt die "Neigung von Menschen, sich in Hierarchien einzufügen und nach strikten Normen zu verhalten", am Beispiel zahlreicher Politiker, Parteien und Staaten.
Neigung zum Autoritarismus
Die Anhänger von Gauland, Le Pen oder Trump, so Renz-Polster, unterscheiden sich nicht in ihrer persönlichen Lebenssituation - Einkommen, Bildungsniveau, Wohnungsnot oder Erfahrungen mit Kriminalität - sondern in ihrer deutlichen Neigung zum Autoritarismus, der einen schützenden Rahmen bildet, in dem sie sich aufgenommen und sicher fühlen, die Rollen klar verteilt und die "draußen" Stehenden die Feinde sind. Das gilt für Rechtspopulisten wie für Linksradikale, für islamistische Taliban wie für evangelikale Christen in den USA.
Erbärmliche Kindheit
"Menschen, die in ihrer Lebensorientierung an fundamentalistischen Ismen hängen bleiben ... teilen allesamt dieselbe Grunderfahrung, nämliche dass sie als Kinder erbärmlich behandelt wurden. Und das gilt, natürlich, in besonderem Maß für die rechtsautoritäre Führungselite. Keiner der rechtspopulistischen Bannerträger hat eine normale Kindheit mit verlässlicher, liebevoller Unterstützung erlebt."
So ist, außer in Minnesota, in allen amerikanischen Bundesstaaten die Prügelstrafe erlaubt. Bei einer Umfrage unter Erwachsenen, ob sie es okay finden, Kinder zu schlagen, fielen bei den Präsidentschaftswahlen die 22 Staaten mit den höchsten Zustimmungsraten an Donald Trump, und bei der Frage, ob Lehrer schlagen dürfen, sogar 25 Staaten. Diese sowie zahlreiche andere Untersuchungen und Statistiken untermauern die These des Autors.
Vom Misstrauen zum Vertrauen
Das System von 'Befehl und Gehorsam' - mit Prügelstrafe, rigider Erziehung, Erfolgsorientierung und Ausleseverfahren in der (Vor-)Schule - schafft eine innere Grundhaltung, die sich an Autorität orientiert, darin Sicherheit, Schutz und Anerkennung sucht und sich zum Beispiel bei Wahlentscheidungen stärker auswirkt als die schulische Bildung.
"Insofern dürfte es sich auch lohnen, darüber nachzudenken, ob 'mehr Bildung' tatsächlich die Allzweckwaffe gegen den Rechtspopulismus sein kann."
Soziale Kompetenz und Verhalten als Erwachsene werden in der frühesten Kindheit geprägt. Es ist das fürsorgliche, vertrauensbildende Elternhaus, in dem sich Kinder angstfrei, kreativ und frei entwickeln können, wichtige Voraussetzung für Menschen, die sich später selbstbewusst und souverän in einer globalen Gesellschaft bewegen.
Generationen übergreifend
Viele der von Renz-Polster aufgeführten Studien zeigen: Wenn Eltern (und Lehrer) ihre Kinder mit harten Strafen erzogen haben, übernehmen sie diese Art der Erziehung auch für ihre eigenen Kinder. In diesem Zusammenhang geht der Autor ausführlich darauf ein, dass Kinder in der DDR schon als Kleinkinder in Krippen in einem Kinderkollektiv erzogen wurden, also bis zu neun Stunden außerhalb des elterlichen Einflusses waren. Ähnliches gilt für Frankreich. Auch hier befördert die gesetzliche Vorschulpflicht (z.Zt. bereits ab 3 Jahren) eine starke Entwicklung des Rechtspopulismus.
"Erziehung prägt Gesinnung" ist ein gut recherchiertes und lebendig geschriebenes Buch, das einleuchtende Erklärungen für die Popularität rechter Parteien und Bewegungen liefert – in Europa, den USA und darüber hinaus.
"Wer will, dass es unter Menschen menschlich zugeht, muss den Menschen eine sichernde, ermutigende Kindheit zugestehen ... die Antwort auf den Rechtspopulismus: Kindheit wagen!"
(Peter Ehrenfried)
Dr. Herbert Renz-Polster, *1960 in Stuttgart, Kinderarzt, Wissenschaftler und Autor mehrerer erfolgreicher Bücher über Kindererziehung, lebt in Baden-Württemberg
Herbert Renz-Polster "Erziehung prägt Gesinnung"
Wie der weltweite Rechtsdruck entstehen konnte - und wie wir ihn aufhalten können
Kösel Verlag 2019, 320 Seiten, 20 Euro
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