Pavan Sukhdev
Corporation 2020
Warum wir Wirtschaft neu denken müssen
Ölkatastrophen, Bankzusammenbrüche, Umweltgifte, Nahrungsmittelskandale, Luftverschmutzung – das sind Risiken, für die keine Versicherungen abzuschließen sind, die aber der Gesellschaft und ihren Bürgern aufgebürdet werden, während die Profite der globalen Unternehmen wachsen. Schluss mit diesem "business as usual" fordert Pavan Sukhdev.
Corporation 1920
Aggressive Werbung, intensiver Lobbyismus, exzessiver Fremdkapitaleinsatz, maßloser Größenwahn, kurzfristiges Profitdenken und rücksichtslose Nutzung von Naturressourcen – so charakterisiert Pavan Sukhdev die Methoden der Kapitalgesellschaften, mit denen sie sich in den letzten hundert Jahren entwickelt und oft marktbeherrschende Positionen erreicht haben. Sie nutzen die Vorteile, die durch ihre schiere Größe entstehen. Daran ist auch der weit verbreitete kuschelige "Amigo-Kapitalismus" zwischen Unternehmern und Politikern nicht unschuldig, wenn z.B. der weltweite Fischereiumsatz zu einem Drittel aus öffentlichen Subventionen stammt.
Corporation 2020
So darf es nicht weitergehen - deshalb fordert Sukhdev, der selbst jahrelang im Top-Management der Deutschen Bank tätig war, eine Neuaufstellung der Kapitalgesellschaften, die sich an vier Forderungen orientiert: Die externalisierten Kosten und Nutzen offenzulegen, den Ressourcenverbrauch zu besteuern, den Fremdkapitalanteil bei Unternehmen, die "too big to fail" sind, zu begrenzen und eine Werbung zu betreiben, die informativ, verantwortungsbewusst und rechenschaftspflichtig ist.
Externe Kosten berechnen
Der Sportartikelhersteller Puma war weltweit der erste Konzern, der 2011 eine Umwelt-Gewinn-und-Verlust-Rechnung veröffentlicht hat – mit einem Umwelteffekt von 145 Mio. Euro für Landnutzung, Abfall, Luftverschmutzung, Wasserverbrauch und Treibhausgasemissionen: Das waren Dreiviertel des Jahresgewinns 2010. Eine Internalisierung der Kosten oder einen vollständigen Ausgleich der Umweltschäden wird es kaum geben. Kein Unternehmen wird dabei einen Alleingang wagen. Deshalb schlägt Sukhdev internationale, einfach anzuwendende Bilanzierungsstandards mit klaren Parametern vor, um die negativen externen Effekte der Produktion auf menschliche Gesundheit, Klima, Biodiversität, Bodenqualität u.a. berechnen, ausweisen und leichter reduzieren zu können.
Ressourcen besteuern
Statt das begrenzte Naturkapital zu Lasten der Gesellschaft und der Zukunft immer weiter für den eigenen Profit auszubeuten, möchte Sukhdev nicht mehr die Unternehmensgewinne, sondern den Ressourcenverbrauch besteuern. Dies führt dann dazu, dass Unternehmen Forschung und Entwicklung vorantreiben, um möglichst wenig Material zu verbrauchen. Bisher gibt z.B. der Energiesektor in den USA viermal soviel Geld für Lobbyismus aus als für Forschung. Kein Wunder, dass die Energieeffizienz der Stromkonzerne seit 1960 unverändert bei etwa 30 Prozent liegt.
Mit Fremdkapital "too big to fail"
Große Unternehmen können es sich leisten, mit Fremdkapital eine aggressive Risikopolitik zu betreiben. Sie sind so groß, dass sie mit öffentlichen Steuergeldern gerettet werden müssen, um einen Schneeballeffekt zu verhindern. Also muss die Politik neue Regeln setzen, um Nebenwirkungen wie unnötige Rettungsaktionen, Konkurse und Entlassungen zu verhindern und das Wachstum stabiler, nachhaltiger und gerechter zu machen.
Ethische Werbung
Werbung kann nicht nur unerwünscht und lästig, sondern auch gesundheitsschädlich sein – zum Beispiel beim Rauchen - oder sogar tödlich wie bei Kindernahrung: 56 Prozent der Kindstode in Afrika werden durch falsche Babykost verursacht. Fertignahrung statt Muttermilch erhöht lt. UNICEF das Risiko um das Siebenfache. Versprochen werden aber gesunde und glückliche Babys. Das sind zwar extreme Beispiele, aber sind wir nicht alle schon mehrfach auf falsche Werbeversprechen hereingefallen und haben unnötig Geld ausgegeben? Sukhdov fordert deshalb mehr Ehrlichkeit in einer verantwortungsvollen Werbung, um irreführende Effekte zu verringern, ohne gleich ein Land ohne Außenwerbung zu werden - wie die brasilianische Millionenstadt Sao Paulo.
Global und lokal
Pavan Sukhdov gilt international als Vordenker für die Berücksichtigung ökologischer und sozialer externer Kosten und Nutzen in betrieblichen und volkswirtschaftlichen Bilanzen. In seinem Buch bringt er nicht nur viele Beispiele fehlgeleiteter Kapitalströme, falscher Investitionen und Subventionen, sondern auch zahlreiche Vorschläge für eine werteorientierte Unternehmensführung zukunftsfähiger Corporations 2020. Es geht nicht nur um Unternehmensprofite für die Eigentümer, sondern auch um Verantwortung und Mehrwert für die Gesellschaft, um Wohlstand und soziale Gerechtigkeit. Ein lesenswertes Buch für wirtschafts- und zukunftsinteressierte Menschen und erwünschte Pflichtlektüre für die Vorstände globaler und lokaler Corporations.
(Peter Ehrenfried)
Pavan Sukhdev "Corporation 2020"
Warum wir Wirtschaft neu denken müssen
oekom Verlag 2013, 296 Seiten, 19,95 Euro
eBook 15,99 Euro