Karen Köhler
Wir haben Raketen geangelt
Kein Wort zuviel, dicht, kompakt, radikal, ehrlich und kompromißlos – so schreibt Karen Köhler. Im Mittelpunkt ihrer manchmal dramatischen und oft ver-rückten Erzählungen sind Frauen, gebeutelt vom Leben, herausgefallen aus der Normalität.
Kein Alter für den Tod
Die Heldin ihrer ersten Geschichte liegt krebskrank und chemotherapiert im Krankenhaus. Der Freund kommt sie nicht besuchen, dafür nerven die Psychologin und der Arzt, der fragt, ob sie mit dem Stoma zurecht komme:
"Das wird schon, Übung macht den Meister. In ein paar Monaten sind sie ein Profi. Den werden sie gar nicht mehr loswerden wollen."
Nur für kurze Zeit
Die Patientin ist 33, kein Alter für ein Karzinom, einen künstlichen Darmausgang oder gar Gedanken an den Tod. Aber selbst im Krankenhaus sind Begegnungen möglich, die zum Leben zurückführen: mit Il Comandante, 70 Jahre alt, schwer krank, aber fröhlich und optimistisch. Wenn auch nur für kurze Zeit.
Schicksalsgemeinschaft
Als eine Art Erlöser taucht ein Indianer auf, der einer jungen Frau am Straßenrand im kalifornischen Death Valley eine "Träne von Mutter Erde" schenkt, ihr zu trinken gibt und sie aus der Wüste mitnimmt, in der sie sonst vermutlich verdurstet wäre, weil sie ausgeraubt wurde. Bill und Kat gehen eine Art Schicksalsgemeinschaft ein, die sie über manche Klippe trägt.
Mit Postkarten durch Italien
Polar fährt durch Italien und schreibt Postkarten, insgesamt 17, dann darf der Adressat nachkommen – für ein Happy-End, vielleicht. Aber Happy-Ends sind die Sache von Karen Köhler nicht, die Welt ihrer Heldinnen ist weder rosig, noch sind die Männer liebevoll und beschützend – Indianer und der Comandante mal ausgenommen. Es sind Männer, mit denen man zu Silvester zwar Raketen angelt:
"Fauchend sausten die Raketen, von Sehnen gebändigt, mühsam in den Himmel und explodierten über unseren Köpfen."
Aber dann schluckt der Typ Tabletten und liegt im Koma.
Eindrucksvoll
Wir tanzen mit einer Animateurin als Qualle über die Bühne eines Kreuzfahrtschiffs, wir steigen mit einer Lebensmüden auf einen Hochsitz und begleiten die alte Asja durch die sibirische Wildnis und ein Leben voller Tode. Nein, heiter sind diese Geschichten nicht wirklich, aber bemerkenswert und eindrucksvoll erzählt. Diese Frauen vergisst man nicht so schnell.
(Christiane Schwalbe)
Karen Köhler *1974 in Hamburg, Theaterautorin und Illustratorin, lebt in Hamburg
Karen Köhler "Wir haben Raketen geangelt"
Hanser 2014, 240 Seiten, 19,90 Euro
eBook 15,99 Euro, Hörbuch Download 12,99
Weiterer Buchtipp zu Karen Köhler
"Miroloi"