Alex Gino
George
"Die Worte 'So was war niedlich, als du drei Jahre alt warst. Aber du bist nicht mehr drei' hallten immer noch in ihren Gedanken wider." Wenn die Leute George anschauen, sehen sie einen Jungen, auch seine Mutter ist der Meinung, dass die Zeiten, in denen sie sich als Mädchen verkleiden konnte, vorbei sind.
George und kein Ausweg
George lebt mit Mutter und Bruder auf den ersten Blick das klassische Leben einer amerikanischen Mittelstandsfamilie. Zum Vater hat sie in den Ferien Kontakt, sie geht in die 4. Klasse, hat eine beste Freundin, Kelly, und einen besten Feind, Jeff.
Offiziell ist sie ein Junge, auch wenn sie sich als Mädchen fühlt und die anderen Jungen sie ständig für schwul halten und nicht akzeptieren. Es scheint, als müsste sie dauerhaft in dieser Rolle bleiben, dennoch nutzt der Roman von Anfang an konsequent die weibliche Form für George.
Die weibliche Hauptrolle für einen Jungen?
Als dann aber die 4. Kasse ein Theaterstück aufführt, ist Georg nur an einer Rolle interessiert, der weiblichen Hauptrolle. Gemeinsam mit ihrer besten Freundin Kelly probt sie intensiv für das Vorsprechen. Kelly bekommt schließlich die Hauptrolle der Spinne Charlotte, weil die Lehrerin einen Jungen in dieser Rolle nicht akzeptieren kann.
Aus George wird Melissa
Lange kann sie auch mit der besten Freundin nicht darüber reden, dass sie sich als Melissa sieht. Dann beginnt sie sich während der Vorbereitungen auf die Aufführung gegen ihren Peiniger Jeff zu wehren, indem sie ihm heimlich die Aufschrift "Ich Idiot" aufs T-Shirt druckt. Die Mutter wird daraufhin in die Schule bestellt. In einem anschließenden Gespräch bemüht sich George ihrer Mutter klarzumachen, dass sie sich als Mädchen fühlt. Diese kann und will das nicht akzeptieren. Der Bruder hingegen reagiert relativ entspannt und meint: "Irre. Hat aber Sinn. Nimm's mir nicht übel, aber als Junge bist du nicht besonders gut."
Bei der Aufführung schlüpft George, von ihrer Freundin Kelly unterstützt, endlich öffentlich in die Rolle der Charlotte und erntet Begeisterung, aber auch schiefe Blicke. Schließlich gehen die Freundinnen noch einen Schritt weiter und George verwandelt sich nicht nur auf der Bühne, sondern auch im richtigen Leben für einen Tag in ein Mädchen. Niemals zuvor hat George sich so sehr als sie selbst gefühlt.
Transgenderthematik für 10-jährige
Ein wichtiger Roman, der sich mit der Frage der sexuellen Identität von Kindern und Jugendlichen auseinandersetzt, die lange vor der Pubertät bedeutsam ist. Alex Gino zeigt den Lesern die gesamte Bandbreite der möglichen Reaktionen: von offener Ablehnung, über vollständiges Unverständnis bis hin zur bedingungslosen Akzeptanz. ",Melissa!' Kelly verdrehte die Augen. ,In meinem Leben gibt es nur Jungs. Meinen Vater. Meinen Onkel. Und noch vor kurzem dachte ich, du wärst auch ein Junge. Manchmal ist es schön, ein Mädchen an seiner Seite zu haben.'" Hin und wieder tritt jedoch in den Hintergrund, dass der Roman sich an 10-jährige richtet. Die Formulierungen sind etwas sperrig und scheinen eher einer Informationsbroschüre für den politisch korrekten Umgang mit sexueller Orientierung entnommen zu sein. Hier vertraut Alex Gino seiner Geschichte zu wenig. Dennoch: Ein insgesamt gelungenes Debüt, mit der klaren Aufforderung, eigene Vorurteile zu überdenken.
Alex Gino ist seit über zwanzig Jahren in der queeren und transgender Bewegung aktiv. Persönliche Erfahrungen haben dazu geführt, diesen Roman zu schreiben. Gino über die Gründe das Buch zu schreiben:
"... I couldn’t find any children’s books with positive representations of transgender people or issues. And while several picture books and YA novels have been released in the last decade, there’s still a huge gap in middle grade fiction. Kids around ten years old are figuring out who they are independent of family and other adults."
http://stories.flipkart.com/george-alex-gino-transgender/
(Iris Knappe)
Alex Gino "George"
Aus dem Amerikanischen von Alexandra Ernst
Verlagsempfehlung: ab 10 Jahren
Fischer 2016, 207 Seiten, 14,99 €