Claus Probst
Spiegelmord
Eine Studie über Angst und Aggression: Die einen wurden Opfer männlicher Gewalt, durch die anderen - Väter, Ehemänner, Vergewaltiger. Eine Gruppe von Frauen arbeitet im Schutz einer Therapie ihre furchtbaren Erfahrungen auf.
Von Angst befreien
Einer der Täter wird ermordet in seiner Kühltruhe gefunden, dem Platz, wo er seine Tochter wieder und wieder einsperrte. Therapeutin und Gruppe geraten in den Focus der Ermittlungen, denn nur sie kennen die Quälereien der Täter, die jetzt in einem ersten und bald auch einem zweiten Mord gespiegelt werden. Und sie unternehmen große Anstrengungen, um sich von der Angst vor diesen Monstern zu befreien:
"Also schleppst du sie devot mit dir herum wie einen blutsaugenden Parasiten, lebendig, aber geschwächt. Überzeugt, sie nie wieder loswerden zu können. Und solange du daran glaubst, behältst du damit recht und wirst gehorsam zu ihrem Sklaven."
Unter Mordverdacht
Claus Probst, selbst Psychiater mit eigener Praxis, mischt in seinem zweiten Thriller die Täter-Opfer-Konstellation in ungewöhnlicher Weise auf: Carmen Mingus, die Therapeutin, bat den Ex-Gangster Manfred Gold, der mal ihr Patient war, um Hilfe, und der schlagkräftige große Mann sorgte nachhaltig dafür, dass ein besonders aggressiver Ehemann und eine Bande von Vergewaltigern und Zuhältern die Finger von ihren Opfern ließen. Naheliegend, dass er unter Mordverdacht gerät.
Leben einer Raubkatze
Ausgerechnet Hauptkommissarin Lena Böll, die ihn vor Jahren vergeblich jagte und noch immer eine Rechnung mit ihm offen hat, glaubt an seine Unschuld, denn sie selbst verfügt über einen geradezu neurotisch kalten Verstand und raubtierhaft feine Instinkte; sie sieht ihr Leben als
"das einsame Leben einer Raubkatze. Die bewegungslos in der Sonne döst und sich nur dann bewegt, wenn sie irgendwo eine potentielle Beute erspäht. Die sich gelegentlich paart, wenn ihr gerade danach ist. Die ihrerseits nur hungrige Fleischfresser frisst. Ein Leben, das ohne die Jagd sinnlos erscheint."
Die Jagd nach den wirklich Schuldigen wirft viele Fragen auf: Was, wenn die Polizei Unschuldige nicht schützen kann? Wenn die Täter nie bestraft werden können? Wo verlaufen die Grenzen der Rechtsstaatlichkeit, und wie viel Selbsthilfe gebietet der Anstand?
Ungleiche Partner
Mit seinen sehr unterschiedlichen Protagonisten Gold und Lena Böll schickt Claus Probst ein Team ins Rennen, das man sonst eher mal in besseren amerikanischen Thrillern antrifft; allen Balanceakten zwischen Selbstjustiz, Rache und ordentlicher Mannheimer Polizeiarbeit sind die beiden ungleichen Partner bestens gewachsen. Ein gut konstruierter Krimi, der hochaktuell auf Verbrechen gegen Frauen und Schwächere verweist und geschickt und sehr spannend mit den rechtsstaatlichen Möglichkeiten der deutschen Polizei spielt.
(Lore Kleinert)
Claus Probst *1959, Arzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Schriftsteller, lebt in Mannheim
Claus Probst "Spiegelmord"
Thriller, Fischer Taschenbuch, 432 Seiten, 9,99 Euro
eBook 9,99 Euro