Oliver Bottini
Im weissen Kreis
Ein Fall für Louise Bonì
Wer weiß schon, dass Ruanda bis 1918 Teil der deutschen Kolonie Deutsch-Ostafrika war? Präsenter im Gedächtnis ist der Völkermord an den Tutsi in den 90er Jahren. Beides spielt in Oliver Bottinis geschichtsbewusstem Kriminalroman eine Rolle, doch das erkennt seine Hauptkommissarin Louise Bonì erst sehr spät.
Suche im Dunkeln
Zunächst erfährt sie durch einen verdeckten Ermittler bei der Russenmafia von einem illegalen Waffenkauf. Um ein mögliches Attentat zu verhindern, geht sie mit ihrem neuen Dezernatsleiter Enders Spuren nach, die in die rechtsradikale Szene im Südwesten führen, gewohnt hartnäckig und entschlossen, zu tun, was getan werden muss und sich von nichts und niemandem stoppen zu lassen.
"Sie war der Job und umgekehrt, nicht mehr. Sie hatte es nie anders gekonnt oder gewollt. Der Job kam mit, wohin sie ging. Er war in ihr, er war, was sie sah und dachte und fühlte."
Doch die Suche im Dunkeln geht ihr unter die Haut: Alle Beteiligten lügen oder schweigen, und wer das Ziel des geplanten Anschlags ist, weiß sie lange nicht. Zu lange? Überdies setzt sich ihr Freund Ben Liebermann ab, denn im beschaulichen Freiburg hält es der Bundespolizist nicht länger aus, und sie will ihm nicht folgen.
Düstere Geheimnisse
Louise Bonì, die ihren Kampf gegen den Alkohol gewann, steht vor der Herausforderung, im geheimen und weitverzweigten Netz von rechtsextremen Tätern und Staatsschutz, Mafia und Informanten den einen oder anderen Befreiungsschlag zu landen, in ihrer gewohnt direkten und intuitiven Weise.
"Zeugen und Verdächtige reagierten anders auf sie als auf die Kollegen, vor allem dann, wenn sie allein kam. Sie löste etwas aus, sprach die dunklen, verborgenen Seiten an. Provozierte selbst dann, wenn sie es nicht darauf anlegte. Good cop, dark cop."
Zwei Begegnungen machen in diesem spannenden Roman deutlich, wie schwer es diesmal für die Einzelgängerin ist, das Vertrauen nicht zu verlieren: Der Ruander Ludwig Kabangu, der die Gebeine des Großvaters seiner Frau aus dem Freiburger Uni-Archiv heimholen will, erweist sich als das Ziel des geplanten Attentats, doch er entzieht sich immer wieder seinen Bewachern und hat eigene, düstere Geheimnisse.
Bestens recherchiert
Zwei weitere Männer sterben, doch wie lang der Schatten der Geschichte ist, lässt der Autor nur ganz allmählich und mit großem dramaturgischen Geschick in die Ermittlungen einfließen. Und der Kripobeamte Bremer sucht seit Jahren danach, wer seinen Kollegen erschoss und ihn selbst für sein Leben zeichnete. Mit seiner Hilfe lassen sich zwar Verbindungen herstellen, aber keine Hindernisse beseitigen.
"Endlich neue Indizien, endlich Gesichter, die vielleicht eines Tages konkrete Entsprechungen in seiner Erinnerung finden würden. Endlich Antworten auf Fragen, die ihn seit zwei Jahren quälten. Inoffizielle Antworten. Keine der beteiligten Behörden würde sie jemals bestätigen, weil sie der offiziellen Version widersprachen … Die Wahrheit ging unter, dachte sie, waren die Lügen nur lang genug in der Welt."
Akribisch beschreibt der Autor, wie weit die Verbindungen des rechtsradikalen Untergrunds reichen, bis zum Ku Klux Klan, in die Universität und die Polizei, und wüsste man nicht um die komplette Unzulänglichkeit der NSA-Ermittlungen, würde man einiges als Verschwörungsparanoia abtun.
Eine Stimme geben
Doch Oliver Bottinis Romane sind allesamt bestens recherchiert. Sein Personal ist immer lebendig und originell, doch Louise Bonìs feine Antennen für die Abgründe in den Seelen derer, denen sie begegnet, machen sie zum außergewöhnlichen Zentrum eines Krimiuniversums, das Freiburg und Deutschland mit den Brennpunkten in der ganzen Welt verbindet.
"Alles, was geschieht, hat eine Geschichte. Geschieht es mir, ist es meine Geschichte. Erzähle ich davon, gebe ich ihm meine Stimme."
(Lore Kleinert)
Oliver Bottini *1965 in Nürnberg, deutscher Schriftsteller, lebt in Berlin
Oliver Bottini "Im weissen Kreis"
Ein Fall für Louise Bonì
Kriminalroman, Dumont Verlag 2015, 350 Seiten, 14,99 Euro
eBook 12,99 Euro
Weitere Buchtippzu Oliver Bottini
"Einmal noch sterben"
"Der Tod in den stillen Winkeln des Lebens"