Johannes Groschupf
Skin City
„Geduld ist der Schlüssel zum Paradies.“ Ein kluger Satz der Großmutter der Familie aus dem rumänischen Romadorf Fantanele, die in Berlin ein neues Zuhause gesucht hat. „Die Großmutter saß tagsüber breitbeinig auf den Stufen vor dem Haus in der Harzer Straße, breitbeinig, in bunten Röcken und mit ihren Goldmünzenketten, und rauchte Zigaretten. Jeder kannte sie hier, und sie kannte jeden.“
Auf der Suche
Die junge Polizistin Romina, ihre Enkelin, die Dienst in einem ruhigen Außenbezirk hat, verliert die Geduld, als ihre jüngere Schwester verschwindet und schlimm misshandelt von ihr aufgespürt wird. „Ich habe keine Zeit. Ich muss den Typen finden, der meine Schwester verprügelt hat.“ Johannes Groschupf baut ein ebenso schlankes wie spannungsreiches Szenario auf, in dem alle auf der Suche sind, mit zunächst geringer Wahrscheinlichkeit, aufeinander zu treffen. Doch die Energie, die die Protagonisten vorantreibt, verursacht unerwartete Kollisionen, aus denen immer wieder neue Energie entsteht, neue Funken geschlagen werden.
Die Wege der Polizisten kreuzen sich mit denen einer Gruppe georgischer Einbrecher, die die Stadtvillen in Dahlem und Lichterfelde ausräumen, allen voran Koba. Sein Traum, ein neues Leben in Kanada zu beginnen und seinem verbrecherischen Clan zu entkommen, rückt zunächst in die Ferne, als er seine Hand an einer zerbrochenen Fensterscheibe verletzt. Die Polizei ist ihnen auf den Fersen, und Groschupf zeichnet ein Bild der Großstadt, die in den Alleen und verzweigten Nebenstraßen mit ihren Fluchtmöglichkeiten ständig in Bewegung ist, - und in den Staus immer wieder zum Stillstand kommt.
Kränkungen
Geduld braucht auch der entlassene Betrüger und Hochstapler Jacques Lippold, dem es gelingt, sich mit Charme und Verstellung in die schillernde Kunstszene als Berater einzuschleichen, doch auch er greift zu brutaler Gewalt, um sich für Kränkungen zu rächen, und gekränkt ist er schnell.
„Lippold wusste, dass der erste Schlag entscheidend ist, er legte das ganze Gewicht seiner kalten Wut hinein…Rico krümmte sich auf dem Boden. Im Bau hätte Lippold ihm noch mit einem Tritt zwei Rippen gebrochen, hier war Bernau und Sonnenschein, er ließ es dabei bewenden.“
Die alte Rechnung, die Lippold unbedingt begleichen will, führt wiederum in eine andere Richtung, und Groschupfs Szenario verbindet die Welt der Reichen, die die Kunst als Mittel der Abgrenzung und der Selbstbespiegelung nutzen, mit der Welt der Gierigen, die sich kaum jemals wirklich sicher fühlen und zu allen Mitteln greifen, um zu überleben.
„Die Deutschen sahen immer biestig aus. Die Taschen voller Geld, dicke Autos, glatte Straßen und ständig schlechte Laune.“
Schattenseiten
Der vielfach ausgezeichnete Autor kennt seine Stadt Berlin mit ihren Schattenseiten und zeigt sie uns in unterschiedlichen Perspektiven, mit schwarzem Humor, und in einer prägnanten und vielfarbigen Sprache, die nur aus großer Nähe erwachsen kann. Über Romafamilien ebenso glaubhaft zu schreiben wie über georgische Banden, aufrechte und weniger einsatzfreudige Polizisten oder die Kunstschickeria der Hauptstadt, das fügt sich in diesem Berlin-Krimi zu einem gelungenen Portrait einer getriebenen Gesellschaft zusammen, der die Geduld abhandengekommen ist.
(Lore Kleinert)
Johannes Groschupf, *1963 in Braunschweig, in Lüneburg aufgewachsen, Studium der Germanistik, Amerikanistik und Publizistik, Resejournalist, mehrfach ausgezeichneter Autor, lebt in Berlin.
Johannes Groschupf „Skin City“
Thriller, Suhrkamp Verlag 2025, 233 Seiten, 17 Euro
eBook 14,99 Euro, Hörbuch 15 Euro